Pläne des Dresdner
Stadtplanungs- und Hochbauamtes von 1937 bis 1940
Thomas Kantschew - Mai 2025 |
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„Großstadt-Gesundung“ und „Rassenhygiene“ Ein vierter wichtiger Aspekt der Planungen zur Neugestaltung der Innenstadt waren stadthygienische Verbesserungen, die Paul Wolf bereits in den 1920er Jahren umzusetzen versuchte und die nun Ende der 1930er Jahre auch in der Innenstadt eine Rolle spielen sollten. Ziel war es, die hochverdichteten Innenstadtbereiche durch Licht, Luft und Grün aufzulockern. ![]() Modell zur geplanten Neugestaltung der Innenstadt, aus: Mutschmann 1939 (Ausschnitt Wilsdruffer Vorstadt und Seevorstadt) Das 1938 gefertigte Stadtmodell (Maßstab 1:1000) zeigt die Straßendurchbrüche mit Baumpflanzungen, aber auch in welch rigider Normierung die Traufhöhen aller Baublöcke auf eine Höhe von vier Geschossen neu ausgerichtet werden sollten - natürlich alle mit dem gesetzlich vorgeschriebenen schrägen „deutschen Dach“. Auch wenn es sich bei einem solchen Modell nur um eine schematische Darstellung handelt: Langfristig wäre die ganze lebendige, kleinteilige Vielfalt der Dresdner Vorstadt- und Altstadtquartiere mit ihren unterschiedlichen Gebäudehöhen für einfache, einheitlich hohe Häuserblöcke in strenger Bauflucht und endloser Blockrandbebauung geopfert worden. Mit dem Abriss wären aber auch alle kleinen Gewerbebetriebe in den ehemaligen Hinterhöfen verschwunden, für die man Ersatz in den geplanten Vierteln mit Ersatzwohnungen hätte finden müssen. ![]() Große Frohngasse (umbenannt in Marktstraße) von 19.10.1937 DBZ In den Blockinnenhöfen sollten dann im großen Stil Entkernungen erfolgen – für mehr Licht und Grüngestaltung. Diese Forderung hatte der Stadtbaurat Wolf allerdings schon in seinen Neubau-Projekten vor 1914 in Berlin Schöneberg, später in Hannover umzusetzen versucht und dann erneut ab 1922 in vielen Bauprojekten in Dresden. Grün- und Frischluftschneisen Anknüpfend an die vorhandene Bürgerwiese, an die grünen Elbauen, das Königsufer weiterführend, sollten zusätzliche grüne Alleestraßen geschaffen werden, eine Forderung, die Paul Wolf eigentlich schon in den 1920er Jahren durchsetzen wollte. Um die historische Dresdner Kernaltstadt sollte nun 1938 ein „Grün- und Verkehrsgürtel“ geschaffen werden. Von diesem Gürtel aus sollten in radialer Richtung neue „Verkehrs- und Grünbänder“ ausgehen. (Mutschmann 1939) Im Neugestaltungsplan vom 25.11.1938 sollte der Grüngürtel nicht aus Alleebäumen bestehen, sondern aus locker bepflanzten Baumgruppen mit Grünbereichen dazwischen. In den Stadtmodellen sind die neuen Achsen dann alle mit streng geometrischen Straßenbäumen bepflanzt. Paul Wolf – Städtebau unter Gesundheitsaspekten im Nationalsozialismus Paul Wolf gilt allgemein als moderner Architekt von öffentlichen Volksbädern, Krankenhäusern, modernen Schulen mit innovativen Konzepten, ebenso als anerkannter deutscher Städtebauer des 20. Jahrhunderts, auch als durchsetzungsstarker Ausstellungsplaner, unter anderem für die II. Internationale Hygieneausstellung in Dresden und andere Ausstellungen, wie z.B. „Wohnung und Siedlung“ 1925. Der engagierte Stadtplaner setzte sich für die aufgelockerte Stadt ein mit Grünzonen, öffentlichen Parks und Gärten, versuchte einer starken Industrialisierung der Großstadt Dresden mit Einrichtungen der Volksgesundheit in Ausgleich zu bringen.(89) Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 sticht allerdings auch eine andere Komponente ins Auge: Wolf war 1933, wie berichtet, ganz schnell in die NSDAP eingetreten. Nach dem am 14.Juli 1933 erlassenen „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ plante Stadtbaurat Wolf im März 1934 in Dresden im Zuge der ersten Gauforum-Konzeptionen gleich neben dem Hygienemuseum ein „Institut für Rassenhygiene“, wo über „minderwertige Rassen“, „Erbgesunde“ und „Erbkranke“ geforscht werden sollte. Auch wenn Paul Wolf nicht als eifernder NS-Ideologe aufgefallen ist, sein Wirken für eine komplette Stadtneugestaltung hatte auf jeden Fall politische Konsequenzen. Die polarisierende Sprache von „Altstadtgesundung“ und „Großstadtgesundung“ war oft mit Vertreibung missliebiger Bevölkerungsgruppen aus der Innenstadt verbunden. Wolf selbst sprach von einem „Umsiedlungsproblem“ unter „siedlungs- und rassepolitischen Gesichtspunkten“. (90) Das betraf nicht nur die Verdrängung einkommensschwacher Schichten oder ehemaliger KPD-Anhänger aus den für Abriss bestimmten Vierteln, sondern auch Menschen, die als gesellschaftliche Außenseiter abgestempelt wurden, wie u.a. mittellose Alkoholkranke (besonders in Verbindung mit Obdachlosigkeit), was nicht selten mit Sterilisation und Trinkerheilanstalt bestraft wurde. Offiziell wurde von „Rassenhygiene“ gesprochen, durch die man gewisse, vermeintlich „erblich belastete“ Unterschichten, die sich stark vermehrten, an der Fortpflanzung hindern müsse. Sogenannte „Asoziale“, Bettler, Prosituierte, „Landstreicher“ oder „arbeitsscheue Volksschädlinge“, konnten ganz schnell in Konzentrationslager geraten, wo sie mit einem schwarzen Winkel gekennzeichnet wurden. In der Zeit vor dem II. Weltkrieg, der zweiten Phase der KZ-Geschichte von 1936-1938, stellten die sogenannten „Asozialen“ u. „Berufsverbrecher“ sogar eine der größten Opfergruppe in den Konzentrationslagern dar. (91) Stadtumgestaltungsmaßnahmen mit „Altstadtgesundung“ im Dritten Reich hatten auch immer diese Komponente des aggressiven Verdrängens, der Ausgrenzung bis hin zur Tötung. Auf der anderen Seite sollten neue „Räume“ entstehen: für die Aufmarschierenden zum Gauforum entlang der breiten Propaganda-Achsen (auch wenn diese mit grünen Bäumen bepflanzt werden sollten), neue Plätze mit NS-Verwaltungsbauten, eine Stadt für die auf Exklusion beruhende „arische Volksgemeinschaft“ und den straff durchorganisierten Führerstaat. Dresden, Hygiene und Eugenetik, diese Verbindung konnte auch im Städtebau der NS-Diktatur unheilvolle Auswirkungen haben. ![]() Logo des Deutschen Hygiene Museums In: DNN vom 2.8.1940 (Beilage: „Natur u. Gesundheit“) |
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89)
Einzelheiten zu Paul Wolfs Werk: Ulrike Grötzsch: Paul Wolf, Stadtbaurat
in Dresden von 1922–45. unveröffentlichte Magisterarbeit. Technische
Universität Dresden, 2001. Leider findet sich in dieser Arbeit kein
Hinweis auf die umfangreichen Pläne zur „Neugestaltung der Innenstadt
Dresden“ 1937 bis 1940. 90) P. Wolf: Luftschutz und Städtebau, In: Zentralblatt der Bauverwaltung 55. 1935, S.446-447. 91) Nikolaus Wachsmann, 2016: KL: Die Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Kapitel 3 Expansion: Gesellschaftliche Außenseiter, Aktion "Arbeitsscheu Reich". Dort: „Einer Schätzung zufolge stellten die sogenannten Asozialen im Oktober 1938 70% aller Insassen.“ S.178. Julia Hörath: "Asoziale" und "Berufsverbrecher" in den Konzentrationslagern 1933 bis 1938, Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft. - Band 222, Hrsg. Vandenhoeck & Ruprecht 2017. Hintergründe zu „asozialen“ KZ-Gefangenen: https://zumfeindgemacht.de/verfolgung-asoziale/ |
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Einleitung Pläne 1920er Jahre, 1934, Gauforum 1937 |
Plan 1937 Erste Stufe |
Plan Juli 1938
Zweite Stufe |
Plan
Herbst 1938 Dritte Stufe |
Umgestaltungspläne an Plätzen.
Einzelprojekte Teil 1 |
Umgestaltungspläne an Plätzen. Einzelprojekte Teil 2 |
Verkehrsaspekte |
"Großstadtgesundung"
und "Rassenhygiene" |
Mutschmannplan 1939 "Neugestaltungsstadt" Vierte Stufe |
Plan 1940 Fünfte Stufe |
Finanzierung und kritische Stimmen | 1946, Conert-Plan „Vorentwurf für die Neugestaltung der Innenstadt Dresden“ |
Fazit | Quellen- und Literatur |
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