„Die Neugestaltung der Innenstadt Dresden“
Pläne des Dresdner Stadtplanungs- und Hochbauamtes von 1937 bis 1940

Thomas Kantschew  - Mai 2025
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Plan 1940
Vor
 Conertplan 1946



Finanzierung


In einem Schreiben des Dresdner Hochbauamtes an den Generalinspektor der Reichshauptstadt Berlin (also Albert Speer) vom 26. Juni 1941 wurde die Zahl der durch die Neugestaltung der Stadt Dresden abzubrechenden Wohnungen mit 2600 angegeben.
In einer Aktennotiz des Dresdener Stadtplanungs- und Hochbauamtes, Abteilung Wohnung und Siedlung vom 25.06.1941 findet sich eine Berechnung zu "Künftigen Altstadtsanierungs-Vorhaben". (103) Dort werden allein für das neue Fischhofviertel geschätzte Kosten im Sanierungsgebiet von 13 600 000 RM angegeben, außerhalb des Sanierungsgebietes (Ersatzwohnungen) eine Summe von 18 000 000 RM. In einer Tabelle ist zu erkennen, wie die Behörde mit Hypotheken, städtischen Mitteln (einschließlich Darlehen), Eigenkapital der Träger auch Geldmittel von "angenommener Deckung durch Reichs- und Staatsmittel" ausgeht, im Fall vom Fischhofviertel mit insgesamt 7 090 000 RM."
Wenige Tage später am 2.7.1941 wird die erhoffte Unterstützung des Staates noch mal bestätigt:
"Bei der Kostendeckung wird die finanzielle Mithilfe des Reiches vorausgesetzt. Wird sie gewährt, so hat die Stadt für die Durchführung der Vorhaben jährlich ca. 500 000 RM auf die Dauer von 20-25 Jahren aufzubringen. Ohne Mitwirkung des Reiches müsste die Stadt jährlich ca. 1 Million bereitstellen." (104)

Albert Speer betonte dagegen in einem Schreiben an den Reichsminister und Chef der Reichskanzlei (Lammers) wenige Wochen später am 28.8.1941:

„Punkt 3: Es müsste angeordnet werden, dass vor dem Abriss von Wohnungen der erforderliche Ersatzwohnraum bezugsfertig sein muss. Die Wohnungsinhaber der Abrisswohnungen müssten praktisch einen gesetzlichen Anspruch auf Bereitstellung angemessener Ersatzwohnungen erhalten.“

„Punkt 5: Schließlich müsste nochmals festgelegt werden, dass die einzelnen Städte die erforderlichen Mittel für die Neugestaltung aus ihrem eigenen Haushalt ohne wesentliche Beeinträchtigung ihrer sonstigen Aufgaben aufzubringen haben; der Neuverschuldung für diese Zwecke wären Grenzen zu setzen.
Der Führer hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass die vom ihm mit dem Rang einer Neugestaltungsstadt ausgezeichneten Städte diese Aufgabe aus eigener Anstrengung zu erfüllen haben und dafür Oper bringen müssen.“
(105)


Es ist also eine Fehlannahme, dass die Neugestaltungsstädte einen großen Teil der Kosten ihrer gewaltigen Umbaupläne vom NS-Staat finanziert bekommen sollten.

Auch Reg. Baurat Fritz Arnold (Mitarbeiter Durchführungsstelle Dresden) bestätigte nach dem Krieg am 15. Juni 1945 diese Feststellung:

"Bei dieser Gelegenheit erwähne ich, daß die Kosten der Obersten Bauleitungen (Generalbauleitungen) für die besonderen städtebaulichen Maßnahmen in Berlin, München und Linz vom Reich getragen wurden.
Ein Antrag, auch Dresden in diese Regelung einzubeziehen, ist seinerzeit vom Reichsfinanzministerium abgelehnt worden."
(106)


  103)  Akte Dezernat Aufbau 25 "Durchführungsstelle" für die Neugestaltung der Stadt Dresden" seit 1939, übergeben der neuen Stadtverwaltung im Juni 1945, Stadtarchiv Dresden

104)  Ebd. „Betr.: Künftige Altstadtsanierungsaufgaben“. Stadtplanungsamt Dresden 2.7.1941

105)  Siehe Christiane Wolf, Gauforen, S.271

106)  Brief  von Fritz Arnold an den Oberbürgermeister / Bauverwaltung zu Dresden. Betr. Durchführungsstelle für die Neugestaltung der Stadt Dresden, vom 15.Juni 1945, Stadtarchiv Dresden, Akte Dezernat Aufbau 25 "Durchführungsstelle" für die Neugestaltung der Stadt Dresden"




Kritische Stimmen und Zustimmung


Wie war die Resonanz auf die gewaltigen Umgestaltungspläne der Innenstadt Dresden? Gab es Kritik in Bezug auf die großflächigen Abrissvorhaben?

Unter der Überschrift „Wozu Monumentalbauten?“ tauchten versteckt kritische Stimmen in einem Zeitungsartikel des Pulsnitzer Anzeigers zur Grundsteinlegung des Gauhauses in Dresden am 9.3.1939 auf. Darinnen hieß es:

„Keine kleinliche Bedenken können das große Werk stören“ und „Besserwisser. Wozu, fragen sie, brauchen wir Monumentalbauten? Wo wir so viel anderes zu bauen haben, daß es an Arbeitern fehlt und die Baustoffe knapp sind?“ (107)

Kritik hat es wenig gegeben. In den Dresdner Tageszeitungen übertreffen sich gleichgeschaltete NS-Redakteure mit Lobeshymnen zu diesen großen Einschnitten in die vorhandene Stadtstruktur. Aber tatsächlich ist auch von anonymen Kritikern die Rede, die es wagten, die monumentalen Planungen zu hinterfragen. Sie wurden allesamt abgewiegelt.

Gauleiter Mutschmann kritisierte in einer demagogischen Rede zur Grundsteinlegung des Gauhauses:

"Nur kleine Geister, die völlig im materialistischen Denken befangen sind, können angesichts unserer gigantischen Pläne über die Zweckmäßigkeit, die Notwendigkeit oder gar die Rentabilität dieser Bauten sprechen."
Kritiker wurden dann von ihm mit "Zaghaftigkeit und Krämergeist" diffamiert. (108)

Über Kritik oder öffentlich geäußerten Widerspruch an den Plänen zur „Neugestaltung der Innenstadt“ Dresden 1937-40 vom Stadtplanungsamt unter Paul Wolf ist, von Ausnahmen abgesehen, wenig zu hören. Geplante Massen-Abrisse ganzer Vorort-Altstadtquartiere waren mehrheitlich ein Konsens der Zeit, hatten doch die überbelegten Arbeiterquartiere keine allzu große Lobby. Gleichgeschaltete, ehemalige sozialdemokratische Gewerkschaftler, wenn sie nicht im KZ waren, erhofften sich bessere Lebensbedingungen für Menschen mit niedrigen Einkommen. Ebenso schien ein gewisses Grundverständnis in der Dresdner Stadtbevölkerung nach besseren und breiteren Innenstadtstraßen vorhanden zu sein.

Weitere Forschungen müssten Auskunft geben darüber, ob es 1937 bis 1940 von Seiten der Haus- und Grundstückseigentümer eine etwaige Abwehr gegen die geplanten großflächigen Abrissmaßnahmen gegeben hat oder ob Einvernehmen über die postulierte Entschädigung herrschte. Tatsächlich versuchte die Regierung im November 1938 mit einer besonderen Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Neugestaltung deutscher Städte verkaufsskeptische Eigentümer mit Steuererleichterungen zur Zustimmung zu gewinnen (u.a. Freistellung von Grunderwerbssteuer, Wertzuwachssteuer und Urkundensteuer). (109)

Seit Dresden am 17. Februar 1939 von Hitler offiziell zur Neugestaltungsstadt ernannt wurde, war zudem ein öffentlich geäußerter Widerspruch gegen den „Führer“ ohnehin undenkbar.
Ebenso wagte gegen Gauleiter Mutschmann im Prinzip keiner offene Kritik zu äußern. „Nörgler, Miesmacher und Meckerer“ liefen auch in kleinen Andeutungen von Kritik Gefahr, aus der „Volksgemeinschaft“ durch Denunziation ausgeschlossen zu werden. Die Gestapo Leitstelle befand sich auf der Bayrischen Straße 16 hinter dem Hauptbahnhof. Ganz im Gegenteil, so zumindest die Propaganda, dankten die „Partei- und Volksgenossen dem Führer für die Einbeziehung Dresdens in die Reihe der neu zu gestaltenden Städte Deutschlands“. (110)

Geht man von den Wahlergebnissen der letzten möglichen sächsischen Kommunalwahlen im November 1932 für die Stadt Dresden aus, in der die NSDAP in allen Innenstadtbezirken (111) die meisten Stimmen bekam, liegt die Vermutung nah, dass sich im Laufe der 1930er Jahre die Kritik an den massiven Umbauplänen in den betroffenen Stadtteilen eher in Grenzen hielt.

Es konnte bisher kein Material zur damaligen Haltung des eher konservativen Dresdner Bürgertums, der Dresdner Denkmalpflege bzw. der Heimatschutzvereine zu den massiven Umgestaltungsplänen gefunden werden. In den Erläuterungen zu den Neugestaltungsplänen wurde zwar großtönend behauptet, die (barocken) Architekturhöhepunkte zu schützen, während „vergammelte“ Wohnquartiere aus dem 19. Jahrhundert nicht schützenswert galten und man die mit großer Propaganda vorgetragenen „Sanierungsmaßnahmen“ (also Abriss) offenbar in weiten Teilen der Gesellschaft mittrug. Dennoch wurde versucht, einzelne Gebäude am Ring zu schützen, was im fünften Neugestaltungsplan im Mai 1940 sichtbar wird.

Aus einer Zeitungsmeldung vom Dresdner Anzeiger im Mai 1941 lässt sich herauslesen, dass es dennoch einige während des Weltkrieges wagten, ihre Kritik an den Umbaumaßnahmen schriftlich an diverse Ämter zu senden:

"Großverkehr strömt durch Dresden.
Gedanken, Träume und Wünsche um die Lösung künftiger Verkehrsproblem der Landeshauptstadt"

"(…) Freilich: beim Aufrollen von Zukunftsträumen melden sich stets gleich ängstliche Gemüter, die Briefe an Dienststellen schreiben, die um ihre Wohnung bangen, die befürchten, daß der Weg zum Milchmann nach dem Umbau ein paar hundert Meter weiter sein könnte. Aber jeder Einsichtige wird zugeben, daß die Interessen einzelner bei solchen allgemeinen Notwendigkeiten nicht ausschlaggebend, ja, nicht einmal hemmend sein dürfen."
(112)

Matthias Lerm wies „auf Beharrung gerichtete Aktivitäten des Bürgertums der Pensionärs- und ehemaligen Residenzstadt“ hin, die im inneren Stadtbereich bisher (bis 1945) Straßenverbreiterungen und -durchbrüche verhindert hätten und die „im positiven Sinne konservativ“ gewesen seien. (113)


  107)  Reg. Baurat an den Herrn Oberbürgermeister - Bauverwaltung zu Dresden, S.2, Akte Dezernat Aufbau 25 "Durchführungsstelle" Stadtarchiv Dresden

108)  NSDAP-Zeitung „Freiheitskampf“ vom 10.03.1939. "Ersten Spatenstich"

109)  Verordnung des Reichsarbeitsministers vom 3. November 1938 zur Durchführung des Gesetzes über die Neugestaltung deutscher Städte vom 4. Oktober 1937. In: Deutsche Bauzeitung, Jg. 72, H. 46, 16.11.1938,
S. B 1258

110)  Dresdner Anzeiger, 09. März 1939, Bericht zur Grundsteinlegung des Gauhauses.

111)  So in den Bezirken: Innere Altstadt, Innere Neustadt, Pirnaische- und Seevorstadt, Friedrichstadt, Johannstadt. In den Außenbezirken sah das Wahlergebnis dagegen z.T. ganz anders aus. Detaillierte Auflistung der Wahlergebnisse nach Stadtbezirken aufgeschlüsselt in der DNN vom 15.11.1932, S.5, https://sachsen.digital/werkansicht/

112)  Dresdner Anzeiger 31.05./01.06.1941

113)  Matthias Lerm, Aspekte zum Städtebau in Dresden nach 1945 unter besonderer Berücksichtigung der Verluste historischer Bausubstanz / 2, Anlagenband,  S.29





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„Vorentwurf für die Neugestaltung der Innenstadt Dresden“ 1946
 
Conert-Plan: der erste Dresdner Aufbauplan


Einleitung
Pläne 1920er Jahre, 1934, Gauforum 1937

Plan 1937
Erste Stufe
Plan Juli 1938 
Zweite Stufe
Plan Herbst 1938
Dritte Stufe

Umgestaltungspläne an Plätzen.
Einzelprojekte Teil 1
Umgestaltungspläne an Plätzen.
Einzelprojekte Teil 2
Verkehrsaspekte "Großstadtgesundung"
und "Rassenhygiene"
Mutschmannplan 1939
"Neugestaltungsstadt"
Vierte Stufe
Plan 1940
Fünfte Stufe
Finanzierung und kritische Stimmen  1946, Conert-Plan
„Vorentwurf für die Neugestaltung der Innenstadt Dresden“
Fazit Quellen- und Literatur