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Architekt: |
Kurt Bärbig
Großgarage + ehemaliges
Kesselhaus:
Karl Schmidt |
Bauzeit: |
1927 - 30 |
Adresse:. |
Fabrikstraße 13 |
Neuer Besitzer: |
„Genesis Macellum GmbH & Co. KG“ |
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Sanierung 2020 - 22 |
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durch das Architektenbüro RKA (Dresden)
https://rka-architekten.de (mit Fotos nach der Sanierung!)
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Neue Mieter (u.a.): |
Vonovia (Wohnungsanbieter) deutschlandweites Kundenzentrum
Solarwatt GmbH Hersteller für Photovoltaikanlagen |
"Das durch einen Tunnel mit einer Wagenhalle auf der gegenüberliegenden
Straßenseite verbundene Produktionsgebäude ist als erster
Teil eines wegen der Weltwirtschaftskrise nicht vervollständigten
Komplexes zur Nahrungsmittelproduktion (Bäckerei, Brauerei, Brennerei)
ausgeführt worden. Das Gebäude besteht aus zwei sechsgeschossigen,
im stumpfen Winkel zueinander angeordneten Flügeln und einem
achtgeschossigen Turm. Den mit Laderampen versehenen, konvex geformten
Hofseiten liegen eine gerade und eine sich dem konkaven Straßenverlauf
anpassende Front gegenüber. Die durch Gesimse gerahmten Fensterbänder
werden straßenseitig an einem fünfgeschossigen Treppenhaus
herumgeführt, das die Straßenfront über den durch
die beiden Flügel gebildeten Scheitelpunkt hinaus verlängert.
Die nach neusachlichen Prinzipien gestaltete Anlage ist ein mit roten
Klinkern verkleideter Stahlskelettbau. Sie wurde nach Kriegsschäden
verändert und 1995 entkernt."
(Architekturführer Dresden 1997)
Typisch für die Zwanziger Jahre ist zudem die
Lichtarchitektur in Form des damals nachts von innen beleuchteten
sechseckige Glasturms - als markante Firmenwerbung im Stadtraum.
Das Gebäude wurde bereits 1978 unter Denkmalschutz gestellt.
Leerstand seit 1991 - Sanierung 2020-22
Während die Wagenhalle als Go-Kart-Bahn genutzt wird, stand das Hauptgebäude seit 1991 leer! Die Stadt Dresden suchte
viele Jahre nach einem Investor. Die hohen Denkmalschutzauflagen hatten
jedoch ernsthafte Interessenten abgeschreckt. 2012 schlug in seiner Diplomarbeit Thomas Baumann die Umnutzung zu einem Technologie- und Gründerzentrum in Verbindung mit Instituten der TU Dresden vor. Mehr Infos zu diesem TGZ (pdf).
2017 kaufte die Berliner Firma „Genesis Macellum GmbH & Co.
KG“ das Gebäude und hat es ab 2018 denkmalgerecht sanieren lassen
(durch Corona und anderen Gründen real begonnene Sanierung ab 2020).
Material: Roter Klinker
Sandstein, Werkstein, Putz sind als typische Fassadenmaterialien in
Sachsen bekannt. Backstein, Ziegel, Klinker verbindet man mit Norddeutschland,
Hansestädten wie Lübeck oder Hamburg. Doch existieren in den sächsischen
Großstädten Dresden, Leipzig und Chemnitz zahlreiche bemerkenswerte
Bauten, Ensembles und Siedlungen der ersten Jahrzehnte des 20.Jahrhunderts,
die durch das Material Klinker mit seinen vielfältigen Ocker-, Rot-,
Braunnuancen geprägt sind - ein Baumaterial was durchaus weiter zukunftsfähige
Chancen hat.
Vorbild: Erich Mendelsohn
"Als Ergebnis eines Architekturwettbewerbes wurde in Dresden
Löbtau der Neubau einer Fleischwarenfabrik errichtet. Als Teilnahmer
waren auch der Bauhaus-Direktor Walter Gropius und das erfolgreiche
Dresdner Büro Schilling und Gräbner angetreten. (...)
Durch die Konsequenz, mit der Bärbig die große Form der
Fabrik durchgestaltete, nähert er sich deutlich den Idealen dynamischer
Architektur, zu deren Protagonisten in diesen Jahren Erich Mendelsohn
gehörte. Bärbig nimmt mit grundlegenden Elementen dynamischen
Funktionalismus Bezug auf Mendelsohns Stuttgarter Kaufhaus Schocken.
Der weitgehend unbekannt gebliebene Architekt ist somit Autor eines
für die zwanziger Jahre typischen und in der sächsischen
Metropole ungewohnt konsequenten Fabrikgebäudes." (Tilo
Richter, Industriearchitektur in Dresden, 1997)
Anfang
2003 wurde die bis dato leerstehende flache "Kurt-Bärbig-Halle"
schonend saniert. Eingezogen ist die Go-Kart-Bahn ´Motor-Factory |
Kart- und Erlebniswelt´.
Das sechsstöckige Haupthaus dagegen war 27 Jahre ohne Nutzung
und verfiel, wie so viele Gebäude der Moderne in Dresden.
Ab 2018 wurde es nun endlich saniert.
Wettbewerb
Konsumverein "Vorwärts" in Dresden 1927
Der Dresdner
Konsumverein "Vorwärts" war in den Jahren vor und nach dem I.
Weltkrieg stark angewachsen. Um alle Zweigstellen des Vereins gut
beliefern zu können, wurde beschlossen, an der Zugstrecke
Dresden - Freital (Stadt seit 1921) - Chemnitz eine neue moderne Fabrik zu
errichten mit allen logistischen u. hygienischen Erfordernissen der Neuzeit. In einer
Übersicht zu 175 Jahre Konsum heißt es in einem
Artikel von Renate Schönfuß 2013: „Der Konsumverein
Vorwärts Dresden hatte es verstanden, durch Verschmelzungen mit
Nachbargenossenschaften den eigenen Status zu erhöhen. So wurden in
den Jahren 1899 - 1923 die Konsumvereine Radeberg, Sebnitz, Pirna,
Potschappel, Striesen, Löbtau, Niedersedlitz, Schmiedeberg, Neustadt
und Königstein integriert und führten damit zur Stärkung des
Konsumverein Vorwärts Dresden.“
An dem Ideenwettbewerb beteiligten
sich auch namhafte Architekten, darunter Bauhaus-Direktor Walter Gropius, der
allerdings nur den 3. Platz erhielt. Der 2. Platz ging an Hans Richter
(Dresden). Beteiligt waren noch: Rudolf Bitzan (Dresden, Leipzig),
Schilling und Graebner (Dresden) Dr. Otto Schubert (Dresden), Dr.
Alfred Tischer (Oberlösnitz) Heinrich Wichmann (Weimar, ab 1927
Dresden). Ausgewählt wurde der Entwurf des
Dresdner Architekten Bärbig mit diesem Entwurf:

Kurt Bärbig: Betriebszentrale Konsumverein Dresden, Wettbewerb 1.
Preis, Gesamtanlage. Nur der erste Bauabschnitt an der Fabrikstraße
mit dem geschwungenen Gebäudeflügel ist realisiert, allerdings mit
deutlicher Überarbeitung. (Bildquelle: Kurt Bärbig. Zum 100. Geburtstag des
Städtebauers und Landschaftsarchitekten. in: Architektur der
DDR 6 / 1989.)

Wettbewerb für die Bauten des Konsumvereins "Vorwärts" in Dresden. Der
1. Preis des Architekten B.D.A. Kurt Bärbig, oben: Gesamtansicht von
den Gleisanlagen aus, unten: Ansicht von der Zufahrtsstraße
(Fabrikstraße),
Vergrößerung, Quelle: Der Baumeister, Mai 1928, Heft 5

Lageplan Konsumverein "Vorwärts" Dresden, Wettbewerb: Kurt Bärbig,
Quelle: Der Baumeister, Mai 1928, Heft 5 Mit Großbäckerei,
Fleischwarenfabrik, Werkstatt- und Lagergebäude - in der Mitte des
Hofes: Maschinenhaus.
"Die Anlage ist so groß geplant, daß
wöchentlich 800 Schweine, 40 000 im Jahr, verarbeitet werden können."
(Arbeiterstimme 27.06.1927). Die Lieferung der getöteten Schweine
erfolgte vom Schlachthof Dresden im Ostragehege.
Im Zuge gravierender Kürzungen des Bauumfangs durch die
Weltwirtschaftskrise nahm Bärbig auch deutliche Änderungen zum
ursprünglichen Entwurf vor.
1) Langgezogene Fensterbänder sind
dazu gekommen, die das weit Horizontale betonen und einem angenehmen
Wechsel von Klinkerfassade und Glasfensterbändern (mit hell
abgesetzten Beton-Gesimsen) ermöglichen. So wurde die Fassade besser
gegliedert.
2) Neu konzipiert wurde die markante Rundung des
„Kopfbaus“. Darüber hinaus wurde die Aufnahme des leicht geschwungenen
Straßenverlaufs im Grundriss zur Fabrikstraße auf den gesamten
Baukörper des Gebäudevolumens zur Fabrikstraße hin verlängert. Bärbig
betont die urbane Großstadtdynamik und reduziert das kubisch Blockhafte des
Entwurfs.
3) Wegfall des 9-stöckigen Hochhauses
(Verwaltungs-zentrale) mit
stark hochstehenden Fenstern (dort geplant: Vortragssaal
1000 Plätze
mit Bühne und Kinoapparatur), wie überhaupt die
Reduzierung des gesamten Gebäude-ensembles mit Innenhof. Der separate
Gleisanschluss an die Fabrik blieb allerdings, wo spezielle Kühlwagen
der Deutschen Reichsbahn eingesetzt wurden.

Zwei originale Gebäudeteile, die von der Anlage bis heute (2022)
erhalten sind (rechts: Fleichverarbeitung, links: zweistöckige
Waagenhalle). Plan: Ausschnitt aus der Planung zum neuen
S-Bahnhaltepunkt Nossener Brücke
Literatur:
Der geplante Neubau des Konsumvereins Vorwärts Dresden, in: Die
Baugilde, 1927, S. 1096-1097
Wettbewerb des Konsumvereins
Vorwärts, Dresden, in: Deutsche Bauzeitung 61, 1927, Nr. 65, S. 544
Ein Monument des Genossenschaftsgedankens in Dresden. Der
Riesenbauplan des Vorwärts / Bärbigs Entwurf wird durchgeführt. In:
Arbeiterstimme 27.06.1927, S.2
Neue Werkkunst. Band zu Kurt
Bärbig, Vorwort von Martin Richard Möbius, Berlin,
Leipzig, Wien; 1930
Die Rote Moderne
Der Verlag Werkbund
organisierte im Jahr 2000 eine Ausstellung
zu Klinkerbauten der Moderne in Sachsen.
Grossgarage und Kesselhaus. Architekt: Karl Schmidt Dresden. In:
Wasmuths Monatshefte für Baukunst und Städtebau, Ausgabe 15/1931, S.
385–389
Möbius
in seinem Vorwort zu Bärbig:
"Ohne modern sein zu wollen, wurde er es wahrhaftig und zuverlässig,
indem er den alten Baugedanken neu erlebte und ohne stilistische Zwangsläufigkeit
früherer Epochen aufrichtig entwickelte. Nirgends überschreitet
er das zweckvoll und organisch entstandene Gehäuse, nirgends
bemüht er sich um Schönheit und Stil, beides ist immer von
selbst als natürliche Begleiterscheinung da. Schon aus dem Gelände
heraus sieht sich Bärbig zu einer Bildung des Raumes gedrängt,
die der Natur folgt, sie plastisch weiterführt oder ergänzt,
von hier aus erscheint ihm der Baugedanke festgelegt und zur möglichen
Vollendung bestimmt."
"Industriebauten
der Moderne -KONSUM-Fleischverarbeitungsfabrik Dresden", Diplomarbeit
an der TU Dresden von Lars-Uwe
Richter 2004
"Zu den herausragenden Industriedenkmalen der Moderne in Dresden
zählt die 1927 bis 1930 erbaute KONSUM-Fleischverarbeitungsfabrik
von Kurt Bärbig. Das Gebäude ist geprägt durch seine betont sachlichen
und innovativen Bau- und Konstruktionsformen. Inhalt der Diplomarbeit
ist die baukonstruktive Analyse und Dokumentation dieses Einzeldenkmals
als eine vorbereitende Untersuchung zu dessen fachgerechter Instandsetzung.
Die bauliche Struktur wird mit typischen konstruktiven Konzepten der
Moderne verglichen. Das tragende Skelett und die Gebäudehülle werden
in ihrem Zustand und den daraus resultierenden Auswirkungen auf künftige
Nutzungen beurteilt."
Sanierung 2020- 22
sehr vorbildliche
Grundinstandsetzung des denkmalgeschützten Gebäudes durch die Dresdner
Firma Architektenbüro RKA. Wie das Büro auf seiner HP schreibt,
wurde "das denkmalgeschütze Gebäude dabei ganzheitlich und mit
erhöhtem Aufwand denkmalgerecht saniert." Sogar die desolate Rampe im
Innenhof wurde wieder saniert. Einziger
Wermutstropfen:
der einst von
innen beleuchtete sechseckige Glasturm auf dem Dach ist leider nicht
wieder vollständig (mit Glas und Licht) saniert worden, sondern nur in
seinem eisernen Haltegerüst.
Erweitungspläne 2023 bis 24
Das Industriebaudenkmal
mit der markanten Backsteinfassade soll in den nächsten Jahren eine
erhebliche Erweiterung bekommen. Es entsteht so eine großförmige
Hofanlage mit mehreren neuen Gebäuden, darunter ein Parkhaus
und ein landschaftsgrün
gestalteter Innenhof -
Planung. Kurt Bärbigs 1927 ursprünglicher Ensemblegedanke mit
Innenhof geht damit nun - in gänzlich anderer Modifikation - doch
noch, variiert auf neue Arbeitswelten, in Erfüllung. Architektonisch
heraus ragend wird der erste Holzneubau als Bürokomplex in Dresden sein. Visualisierungen auf
immobilienscout24.de
Kurt
Bärbig 1889 - 1968
1923 wurde er als einziger Dresdner Architekt in die Deutsche Akademie
für Städtebau berufen. Bärbigs progressive, von sozialen Aspekten
geprägte Städte- und Landschaftsgestaltung huldigt dem damaligen Zeitgeist
von Sachlichkeit, Materialbezogenheit und dem Bemühen um "gestaltete
Zeit". Der 1889 in Dresden geborene Architekt emigrierte 1934 nach
Brasilien und kam nach 1945 in die zerstörte Stadt der kommunistischen
Zone Deutschlands zurück. 1952 war er Leiter der freischaffenden
Architekten beim Wettbewerb um die Neugestaltung Dresdens. Neben Schneider
und Rascher hatte sich z.B. auch Bärbig am Wettbewerb für
den neuen Altmarkt beteiligt, wurde jedoch gleich im ersten Anlauf
ausgeschieden.
weitere
biographische Eckdaten:
Zimmermannslehre und Besuch der Städtischen Gewerbeschule Dresden.
Studium: 1906-10 Staatsbauschule Dresden.
1910-12 TH Dresden, Städtebau bei Cornelius Gurlitt (gleichzeitig
Bauführer bei dem Architekten Rudolf Kolbe in Dresden-Loschwitz).
1912-16 ABK Dresden, Meisteratelier für Baukunst bei German Bestelmeyer
(1912 Kompositionspreis der Akademie; 1916 Silbermedaille des Ateliers).
1913 Gründung eines Architekturbüros mit 16 Mitarbeitern in Dresden.
Nach Kriegsdienst 1917/18 verstärkte sozial engagierte Arbeiten im
Kleinwohnungsbau.
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Fleischfabrik, jetzt Büros, Foto nach der Sanierung: T.Kantschew März
2023,
Vergrößerung
Foto: April
2004
Foto: 2004 -
Jahrzehntelanges Suchen nach einem Investor, der das Potential dieser
Architektur-Perle entdeckt
  
Endlich! 2022 gibt es
neue Nutzungen
für dieses signifikante Gebäude der Moderne. Foto:
2014 T.Kantschew, mit Treppenhaus in der Rundung,
Vergrößerung

Rundung Treppenhaus Südseite nach der
Sanierung und ehem. Laderampe, Foto:
T.Kantschew
März 2023,
Vergrößerung
 
Die rote Moderne:
unterschiedliche Farbtöne der Fassade zur Fabrikstraße
Innenhof mit
Entladerampe vor der Sanierung

Innenhof mit neuer Entladerampe nach der Sanierung. Es wurden
Sitz-Treppen und ein Anbau mit Fluchttreppen hinzugefügt. Foto:
T.Kantschew 2023,
Vergrößerung 
Hof der Konsumgenossenschaft.
Unterirdische Anlieferung (Einfahrt) 2004

Auf der gegenüberliegenden
Straßenseite liegt die Großgarage, ein zweigeschossiger
Eisenbeton-Skelettbau als Dachbinderhalle mit Oberlicht für 100
Großlastwagen. Sie wurde von Karl
Schmidt 1930 errichtet. Hier die Ein -und Ausfahrtsrampe
(Foto: 2005)
Seit 2003 wird die Halle als Go-Kart-Bahn ´Motor-Factory | Kart- und
Erlebniswelt´ genutzt.

Großgarage des Konsumvereins Vorwärts Foto: Wasmuths Monatshefte
für Baukunst und Städtebau 15/1931. Stützenfreie Erdgeschosshalle mit
einem der 56m langen Binder.
Grundrisse EG / UG ebd.

Treppenhaus in der markanten Rundung, Foto: S. Baumgärtel 2016

Zurück gesetztes Dachgeschoss mit Terrasse,
Foto: S. Baumgärtel 2016

Betonkonstruktion, Foto: S. Baumgärtel 2016,
groß


Fabriketage, Foto: S. Baumgärtel 2016,
groß


Blick zum Treppenhaus in dem ausgerundeten
Halbbogen der SW-Ecke, Foto: S. Baumgärtel
2016,
groß

Treppenhaus der Klassischen Moderne, Foto:
2023 nach der Sanierung, T.Kantschew,
groß
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