Sächsische Zeitung, vom 19.02.04

 

Müssen die Pusteblumen weg?

Von Tina Schneider

Eine Künstlerin wehrt sich gegen die Verstümmelung ihres Brunnens.


Mein Brunnen muss entweder wieder komplett aufgestellt werden oder ganz aus dem öffentlichen Raum verschwinden. So kann er nicht bleiben.” Leonie Wirth ist enttäuscht, wütend, traurig. Dort, wo einst aus großen und kleinen Pusteblumen das Wasser sprudelte, wo sich Liebespaare trafen, ältere Menschen ausruhten, Kinder kleine Schiffchen schwimmen ließen und auch manch böser Bube nachts eine Flasche Spülmittel ins Wasser kippte, steht heute auf der Prager Straße ein Fragment. „Mein 1969 eingeweihter Brunnen ist verstümmelt“, sagt die 68-jährige Bildhauerin. „Man ist hier einfach über mich hinweggegangen. So darf man mit Künstlern nicht umgehen.”

Denn während die Prager Straße neu gestaltet wurde, ordneten die Architekten die Brunnen ohne Mitwirkung der Künstlerin neu. Das Ensemble der Pusteblumen wurde plötzlich geteilt. Die beiden großen Elemente liegen eingelagert in der Zionskirche, die drei kleinen Pusteblumen wurden aufgestellt, stehen – jetzt in einer vor Frost schützenden Verhüllung – auf der Prager Straße ziemlich verloren. Das dürfte erst so richtig bewusst werden, wenn im Frühjahr die Hüllen fallen und ein recht spärliches Wasser in der Anlage sprudelt.

Architekt Siegbert Langner von Hatzfeldt erarbeitete vor zehn Jahren das Konzept zur Neugestaltung der jetzt 40-jährigen Straße. „Zu DDR-Zeiten war man damit glücklich”, sagt er. Man habe das fehlende Grün mit Brunnen ausgeglichen. Sein Gedanke bei der Gestaltung: Alle Straßen, die ins Zentrum hineinführen, sollen eine Ähnlichkeit haben, sollen die Menschen in die Stadt führen. Die dreizeiligen Platanenreihen seien typisch für Dresden. Die Achse sollte von einem Wasserband ergänzt werden. „Doch der alte Pusteblumenbrunnen braucht viel Platz, er sprüht ungemein”, so von Hatzfeld. Er habe den Brunnen, so weit wie möglich, in seine Planungen einbezogen. „Er wurde weggenommen, es ist ein neues Werk entstanden”, betont er. Dass er damit eindeutig gegen das Urheberrecht verstößt, sei ihm nicht bekannt. „Rein juristisch kenne ich mich nicht aus.” Eigentlich unerklärlich. Immerhin war Langner von Hatzfeldt Lehrer für Bildhauerei an der Hochschule für Bildende Künste und fünf Jahre lang Vorsitzender der Kommission für Kunst im öffentlichen Raum in Dresden. Er hätte sich also durchaus mit den Rechten von Künstlern beschäftigen müssen. Aber auch die Landeshauptstadt Dresden als Eigentümer der Brunnen fühlt sich im Recht. „Für den Umbau bedurfte es einer Genehmigung der Oberen Denkmalschutzbehörde des Regierungspräsidiums“, teilt Karl Schuricht, Mitarbeiter im Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit auf SZ-Anfrage mit. Diese sei am 27. Januar 2004 erteilt worden.

Unglaubliche Arroganz

„Das ist alles nicht relevant“, erklärt Anka Schierholz, Justiziarin der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst in Bonn. Der Dresdner Umgang mit Kunstwerken sei beileibe kein Einzelfall. Es dürfe auf keinem Fall ein Werk in irgendeiner Weise verstümmelt werden. Das verstoße gegen das Urheberrecht.

„Was in Dresden passiert ist, ist eine unglaubliche Verwaltungsarroganz und ein ganz massiver Eingriff”, sagt Anka Schierholz. Man habe versäumt, mit der Künstlerin zu reden. Man hätte Leonie Wirth die künstlerische Leitung übertragen und ihr Honorar zahlen müssen. Der jetzige Brunnen sei künstlerisch und ästhetisch anzuzweifeln. „Hier liegt eindeutig Ignoranz und schuldhaftes Verhalten des Besitzers vor. Frau Wirth muss nachträglich ein Ausfallhonorar gezahlt werden”, so die Justiziarin.

Dabei hatte Leonie Wirth in einem früheren Gespräch mit der SZ durchaus Bereitschaft signalisiert, ihren Brunnen zu verändern. „Die Wasserstöpsel müssten viel feiner sein. Nur ganz wenig Wasser sollte aufquellen, alles sollte blasiger aussehen”, sagte die Bildhauerin im August letzten Jahres. Leonie Wirth möchte um ihr Brunnenensemble kämpfen, möchte, dass auch weiterhin Menschen sich an ihrem Kunstwerk erfreuen können. Sie ist gesprächsbereit. Sie möchte aber auch ihre Rechte gewahrt wissen.



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Einer der drei Brunnen der Prager Straße. Der mittlere, bestand aus fünf Gebilden, die "Pusteblumen" ähnelten und vier runden, niedrigen Silberschalen, die kleine Wasserfontainen sprudeln und das Wasser in einer Art Vorhang am Rand herabfließen ließen.


Versagen der Oberen Denkmalschutzbehörde?
Pusteblumenbrunnen durften verstümmelt werden.






Einladung zum Spielen: ungezwungener Sommer 1981