100 DRESDNER DES JAHRHUNDERTS
  Der Architekt des Hygiene-Museums  
  Wilhelm Kreis

Unter Tausenden von Studenten, die im Jahre 1895 mit Fackeln nach Friedrichsruh zogen, um den alten Bismarck zu ehren, befand sich auch der 22-jährige Architekturstudiosus Wilhelm Kreis. Er soll dabei auf eine große Linde geklettert sein, sich an einem weit ausladenden Ast hinunter gelassen haben, wo der Fürst stand, dem er die Hand drücken durfte. Dies sei, so die Legende, Erlebnisgrundlage für den Bau von etwa 60 Bismarcksäulen in ganz Deutschland gewesen. Mit dem Bismarck Monument auf der Räcknitzhöhe allein aber ist der Baukünstler in Dresden nicht zu Ruhm und Ehre gekommen. Kreis wurde 1873 in Eltville bei Bingen am Rhein geboren und entstammt einer alteingesessenen Weinbauernfamilie. Als 18-Jähriger verließ er seine Vaterstadt, um an verschiedenen Orten Architektur zu studieren. Kreis hatte das Examen noch nicht in der Tasche, da gewann er den 1. Preis im Wettbewerb um das Leipziger Völkerschlachtdenkmal, dessen Ausführung man ihm jedoch nicht übertrug. Den Hang zum Monumentalen, verbunden mit ornamentalem Erfindungsreichtum, verdankte Kreis seinem Münchner Lehrer August von Thiersch. Paul Wallot berief den jungen Architekten 1899 an die Dresdner Kunstgewerbeschule, wo er ab 1902 eine Professur innehatte. Mit Wallot baute er das Ständehaus an der Brühlschen Terrasse. Kreis entwarf die Baupläne für die Villen Hottenroth und Wollner in Wachwitz, für die Villa Karl August Lingners in der Südvorstadt und gestaltete später für den Odolfabrikanten die Villa Stockhausen am Loschwitzer Elbhang um. Das Hauptwerk des Architekten und Kunstgewerblers in dieser Zeit war der gemeinsam mit Stadtbaurat Hermann Klette geplante und von den Firmen Philipp Holzmann sowie Dyckerhoff und Widmann ausgeführte Neubau der altersschwachen und verkehrsfeindlichen Augustusbrücke. Zur Brückenweihe 1910 wohnte und wirkte Kreis in Düsseldorf, wo er vor allem mit Entwürfen, die sich am Bauhausstil orientierten, internationales Ansehen erwarb. In der Rheinstadt traf Kreis mit Dresdens Oberbürgermeister Bernhard Blüher zusammen, der ihn für den Bau des Hygiene-Museums gewinnen konnte. Es entstand zwischen 1927 und 1930 "in zeitloser Schönheit", wobei Kreis nach Blühers Urteil "vornehme Einfachheit in der äußeren Gestaltung mit einer Fülle vorbildlicher Innenräume verband". Wilhelm Kreis kehrte nach Dresden zurück, wirkte zwischen 1926 und 1941 an der Kunstakademie. Gefeiert werden wollte er nicht. Er sei kein Prominenter, äußerte er während einer Ehrung, sondern Künstler, nichts mehr und nichts weniger. Ein wenig mehr war der Professor schon, als er in die Nähe der braunen Machthaber geriet, zum Generalbaurat avancierte und für die Gestaltung der Kriegerfriedhöfe zuständig wurde. 1937 baute Kreis in Strehlen das Luftgaukommando, in dem später die DDR-Militärakademie untergebracht war. Nach dem Krieg ließ sich Kreis in Bad Honnef am Rhein nieder, wo er am 13. August 1955 verstarb. Mit seinem umfangreichen Schaffen, das auch Fabriken, Kur- und Warenhäuser, Museen, den Bahnhof Meißen oder Möbel für den Deutschen Werkbund umfasste, gilt Prof. Dr.-lng. Wilhelm Kreis als einer der bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts.

Siegfried Thiele

(Dresdner Neueste Nachrichten)