Centrum Galerie
Riesen-Shoppingcenter mit neuen Aluwaben

 

Architekten:

 

T+T Design (Holland) und Peter Kulka (Dresden) für den Hauptbau
Firma: Max Bögl (Bauabschnitt 1)

Piet de Bruyn (Amsterdam) für den
                     Peek & Cloppenburg Anbau

Website: http://www.cie.nl
Firma: Kondor Wessels Bouw aus Berlin

Bauherr:

Webseite:
 

Multi Development Germany GmbH (MD)

www.centrumgalerie.de

Bauzeit:   2007- Herbst 2009
Adresse:   Prager Straße


Visualisierung: Büro Kulka in Anlehnung an den Film "Frühstück bei Tiffany" mit Audrey Hepburn.

Anerkennung beim BDA-Preis 2010
Das Preisgericht lobt beim Bau der Centrum Galerie in einer Anerkennung, u.a. den "starken, konzentrierten Innenraum als Mitte des Einkaufszentrums, der nicht unter der „überbordenden optischen Last“ der Werbeflächen und Schaufenster zerbricht. Überraschenderweise gelingt dies mittels eines seriell eingesetzten Ornaments in Kombination mit wandelbarer Hinterleuchtung sowohl spielerisch, als gleichzeitig auch völlig klar." (Infos)

Abschied von der europäischen Stadt


Der holländische Investor Multi Development baute 2009 an der Prager Straße in Dresden eine Riesenshoppingmall mit einer Gesamtfläche von 52 000 qm Verkaufsfläche! Es mehren sich vermehrt Stimmen des Zweifels, ob solch ein massive mono-funktionale Nutzung und die innerstädtische Maßstäblichkeit völlig sprengenden Dimensionen wirklich gut für die Stadt sind. Lebendige städtische Vielfalt der traditionell europäischen Stadt mit Mischnutzungen sieht anders aus. Das sehr ausgedehnte Shoppingcenter als gewaltiger Eingriff ins innerstädtische Gefüge bedeutet einen ungeahnt strukturellen Angriff auf das herkömmliche Bild von "Stadt", als einem urbanen Raum verschiedener Akteure.
Mit Stadtbaukunst, mit Städtebau im klassischen Sinne hat diese Centrum-Galerie wenig zu tun. Sie ist ein Verzichts-erklärung städtischer Lenkungsmöglichkeiten zugunsten privater Investorenpläne und damit verbundener maximaler Renditeerwartung. Gewinn machte allerdings die fertig gestellte Galerie nur bedingt, Kunden nahmen die Mall zögerlich an. 2012 bis 2014 wurde sie vom Büro Kulka für knapp 30 Millionen Euro im Inneren umgebaut (u.a. Veränderung der Treppen, Schließung des hinteren Eingangs, Verlegung des Food Courts)

Das Architekturbüro Peter Kulka (Dresden / Köln) gewann 2006 den Wettbewerb für das neue Großkaufkonglomerat zwischen Prager Straße und Reitbahnstraße.
Bei seinem Entwurf sollte die charakteristische Waben-fassade des alten Centrum von 1978 in das neue Gebäude integriert werden. Eine Machbarkeitsuntersuchung für die Wiederverwendung der Aluminiumwaben kam im Dez. 06 allerdings zum Schluss, daß es zu teuer und aufwändig wäre, die alten Waben erneut einzubauen.

Retro-Design

Bauherr Multi Development verwarf daraufhin ursprüngliche Pläne, die Fassadenteile im Original zu verwenden:
"Sie sind zu sehr verschlissen und lassen sich in den meisten Fällen nicht unbeschadet abnehmen. Das haben uns auch die Gutachter bestätigt", sagte Andrej Pomtow, Leiter der Projektentwicklung der SZ vom 19.01.2007. Die Waben wurden nach altem Vorbild neu gefertigt.



18.09.2009
Retro-Centrum Kulkas Shopping-Mall in Dresden eröffnet - www.baunetz.de

Dirk Meyhöfer (Hamburg): Kreative Stadtreparatur
Centrum - Galerie Prager Straße in Dresden, in DBZ 01/2010

"Lampenladen im Kettenhemd", "legasthenische Moderne"
Dresden wieder aufbauen!
Till Briegleb, Kunstmagazin art vom 19.11.2009





Bebauungsplan Nr. 155, Dresden Altstadt I Nr. 28, "Prager Straße/ Nord-West Einkaufszentrum"

In der Skizze des Bildes ganz oben ist die Gebäudemasse eingezeichnet (schwarz gestrichelt), die ab 2009 das ehemalige Silberwaben-Centrum und den Restaurantkomplex "International" durch eine Großinvstition ersetzt.
(rot gestrichelt: zusätzliche Fläche von 6900 Quadratmeter zwischen Waisenhausstraße und altem Centrum-Warenhaus, die der Bauherr von einer Erbengemeinschaft 2007 kaufte).
Ein kompletter Abriss des Centrum war "unvermeidlich", wie man sagte.

Gegen den Abriss regte sich heftiger Widerstand von Freunden der Nachkriegsmoderne. Vielfältig wurde ein Protest bekundet gegen diesen rüden Umgang mit identifikationsstarken Gebäuden der DDR-Zeit in Dresden!



Fast die gesamte Prager Straße besteht auf dieser westlichen Straßenseite aus Glas. Auf der gegenüber-liegenden Seite favorisierte man noch in den 1990er Jahren das Baumaterial Sandstein.



Visualisierung: Büro Kulka


Kulka - Wettbewerbstext für diesen Entwurf 2006:

Ort
(...) Das Ensemble Prager Straße ist einer der wichtigsten Beiträge der DDR-Moderne und solches bis heute erfahrbar. In diesem stringenten städtebaulichen Quartier in Plattenbauweise nehmen einige Gebäude durch ihre formale Gestaltung eine Sonderstellung ein. Sie sind Identifikationspunkte von hohem Wiedererkennungswert, wie z.B. das Rundkino und die kraftvolle Fassade des ehemaligen Centrum Warenhauses.

Der städtebauliche Kontext
Nach der Wende wurde durch ein neues städtebauliches Konzept die Weites des Raumes Prager Straße durch Rückbau auf das alte Profil an den Enden minimiert. Auf diese Weise entstand eine Platz-Strassenraum-Folge, die von der Spannung zwischen Enge und Weite lebt. Das ehemalige Centrum Warenhaus entspricht in seiner Struktur und in seinen Bezügen zu den öffentlich neu geschaffenen bzw. zu schaffenden Räumen nicht mehr den heutigen Anforderungen. Außerdem steht es der Schaffung eines viel größeren städtischen Einkaufskomplexes im Wege.

Die Entwurfsidee und das Fassadenkonzept
Auf der Basis des genius loci konzipieren wir die Entwurfsidee.
In Anknüpfung an die ursprüngliche Planung wird der riesige Einkaufskomplex unter Wiederverwendung der ursprünglichen Fassade aus Aluminiumwaben - einer Collage gleich - in Aufriss und Tiefe gegliedert. Im Wechsel mit großzügigen Zugängen und transparenten Fassaden, die Einblicke in die Welt des Forums geben und einladen, entsteht eine bewegte, spannungsvolle und skulpturale Hülle. Diese wird dem Kontext der historischen Prager Straße gerecht und antwortet auf die neuen funktionalen und städtebaulichen Bedingungen. Hierfür werden 80% der 6700 qm vorhandenen Aluminiumwabenfassade benötigt.

Die oberen beiden Parkdecks werden weitgehend durch die ursprünglichen Fassadenelemente geschlossen. Die übrigen Flächen werden durch transluzente bzw. transparente, teilweise bedruckte Glaselemente ergänzt, die Ausblicke von den Parkdecks auf die belebte Prager Straße gewähren und nachts als Werbeträger markant leuchten. Geschlossene Wandflächen werden mit vorgehängten, rückseitig emaillierten Glaspaneelen bekleidet.

Die Eckausbildung mit den Aluminiumwaben in den Obergeschossen zu den städtebaulich wichtigen Orten Prager Platz und Dippoldiswalder Platz, sichern die Wiedererkennung. Der Kubus im Fußgängerbereich des Prager Platz sowie die leicht transluzente Fassade der Spindel schaffen neue Identifikationspunkte. Die Zugänge werden differenziert und in Bezug zu den erwartenden Besucherströmen mit besonderem Augenmerk zu Prager Straße und zu den beiden Plätzen angeordnet und schaffen so die Vernetzung der inneren Strukur.

Die innere Struktur und Wegeführung
Da es freigestellt war, sich im Zusammenhang der Außengestaltung auch mit der inneren Struktur und der Gestaltung der Wegeführung auseinander zu setzen, schlagen wir auf Basis der geplanten Nutzungsflächen eine modifizierte Wegeführung vor. Sie sichert zu einen die optimale Erschließung der einzelnen differenzierten Ladenflächen und schafft zum anderen für die Besucher eine interessante räumliche Führung, die durch eine adäquate Architektur das Innere mit dem Äußeren verknüpft. Besonderes Augenmerk wurde hierbei auf die Führung des Tageslichts gelegt.

Wir sind überzeugt, daß aufgrund der oft beklagten Weite in der Dresdner Innenstadt der Wechsel in eine spannungsvolle, an den Gründerzeitpassagen orientierte Maßstäblichkeit als wohltuend empfunden und angenommen wird.

 


Rot und blau gestrichelte Flächen markieren die immense Ausdehnung dieses Gebäude-komplexes.

Vergrößerung

So sah 2004 die Aluminiumwaben- fassade am alten Centrum aus. Der Kölner Blechfassadenhersteller Pohl hat de jeweils 25 Kg schweren Alu-Rhomben nachgebaut.

Probestück der neuen Waben an der Reitbahnstraße, Foto: Mai 08.
Die neuen Aluwaben sind durch auffällige schwarze Fugen verbunden, welche dem Erscheinungsbild im Vergleich zu den alten Metallteilen eine ganz andere Ästhetik gibt. Vergrößerung
"Wir haben die Waben wirklich eins zu eins neu angefertigt", versichert Architekt und Projektentwickler Jörn Kreuzahler der Sächsischen Zeitung am 13.Juli 08.



Diese "Himmelstreppe" gab es nur bis zum Umbau 2012. Foto: 2009
Centrum Galerie 2009, 1. OG vor dem Umbau 2012, Vergrößerung




Lesetipp: Ben Pell, Modulierte Oberflächen: Ornament und Technologie in der Gegenwartsarchitektur, 2010


Atrium der Centrum Galerie als monumentale Halle - nach dem Umbau, Vergrößerung, Foto: Thomas Kantschew Nov. 2023

 


Grafik: Multi Development Germany


Visualisierung: Büro Kulka

 

Peek & Cloppenburg Anbau
Architektur: Piet de Bruyn (Amsterdam)   www.cie.nl
Entwurf: 2006
Ausführung: 2007 - 2009

Der Bauherr Multi Development Germany GmbH (MD) errichtete im Anschluss an die Centrum Galerie einen zweiten Bau. Beide Gebäude werden in etwa der Höhe der einstigen Trompeterstraße durch eine überdachte Glaspassage miteinander verbunden.

Auffallend am Entwurf des Großstadtkaufhauses ist der Einsatz von viel Glas, wodurch das Gebäude eine einladende Transparenz entfalten soll. Dieses Material entwickelt im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts eine erhebliche Dominanz und verdrängt die noch in den 1990er Jahren verwendete Sandstein-Tapete auf der Prager Straße.
Bewusst hat der Architekt die horizontalen Linien der Centrum-Galerie nicht übernommen, sondern betonte stattdessen die senkrechten Achsen mit aufstrebenden Pfeilern.
In einer Überarbeitungsphase wurde beim Fassadenmaterial zudem anstatt eines rötlichen Steins heller Jurasandstein kombiniert mit dunklem Muschelkalk verwendet. Die in der vertikalen Ausrichtung entstehenden unterschiedlich breiten senkrechten Linien sollen an Strichcodes erinnern.

Auf der Webseite des holländischen Architekten Piet de Bruyn aus Amsterdam  findet sich diese Beschreibung:
„The design of the elevations is robust and unambiguous, with pillars of natural stone and windows that are playfully angled. This is reminiscent of the classic German department store emerging around 1900 and the grandeur of historic Dresden, but simultaneously alludes to today's consumer society”.  Leider wurden in der tatsächlich umgesetzten Architektur die beschriebenen spielerisch abgewinkelten Fenster nicht realisiert.  Diese Sparmaßnahme nimmt jedoch dem department store einen der größten optischen Besonderheiten und macht die Fassade nun erheblich konventioneller.

Eine weitere Reduzierung des ursprünglichen Entwurfes findet sich in den Fassaden zum Dippoldiswalder Platz hin, wo der Bauherr auf die auflockernden Fenster im letzten Obergeschoss verzichtete. Da das neue Peek & Cloppenburg-Kaufhaus lediglich drei Verkaufsetagen nutzt, fand sich offenbar kein Mieter für das 4. OG. So besteht das obere Scheingeschoss lediglich aus einer vorgeblendeten Ballustrade. Foto Nur ein geringer Teil des Daches nimmt eine evangelische Kita der Diakonie ein. Infos


Kita auf dem Kaufhausdach, Foto: diakonie-dresden.de

In der Entwurfsphase wurden vom Bauausschuss des Stadtrates noch Bedenken geäußert, dass der obere Sandsteinfries zu mächtig sei und damit die erhoffte transparente Wirkung aufheben könnte. Der Architekt nahm damals die Bemerkungen mit dem Hinweis auf, er denke selbst schon darüber nach, den Fries aufzulockern und "mehr als Krone" zu gestalten. Schließlich ließ der Architekt zum Glück von einer gezackten Krone ab und fand eine ansprechende geometrische Flächengestaltung mit den wechselnden Natursteinen.


Ansicht zum Dippoldiswalder Platz, Modell:
Multi Development


Modell:
Multi Development - Sandsteinfries ohne Auflockerungen & Fenster

 

Anbau Peek Cloppenburg Prager Straße, Modell: Multi Development, Gestaltung so nicht umgesetzt.


Überdachte öffentliche Passage zwischen den Gebäuden
von der Prager Straße aus

Passage vom Dippoldiswalder Platz aus,
Modell: Multi Development

 


fertig gestelltes Kaufhaus mit geänderter Gestaltung in der "Attika"-Zone, Foto: TK 2009

Erfreulich ist die Anlage eines kleinen Stadtplatzes zum Dippoldiswalder Platz hin, einem der markanten Eckpunkte der historischen Altstadt an der Stelle der ehemaligen Festungsbastion Merkur.

Vorgängerbau: Passage Esters


Text: Thomas Kantschew 2008 / 2010
 
ursprünglicher Entwurf 2006 von Piet de Bruyn