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Palucca
Schule Dresden - Hochschule für Tanz
Architektur mit historischen Anklängen + Moderner Glasanbau 2006
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Architekt:
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Herbert Schneider +
Fred Pietzsch (Ideenentw.)
Gerd
Dettmar (Projekt) |
Bauplastik: |
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Rudolf Löhner |
Bauzeit: |
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1953 - 55 |
Adresse: |
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Basteiplatz 4 (Dresden
Strehlen) |
Anbau: |
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2004/ 05 (Wettbewerb:
2001) |
Architekten: |
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H.Storch/W.Ehlers
& Partner |
Webseite zum Projekt: |
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www.s-e-p.de |
Kunst am Bau: |
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Roland Fuhrmann
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"Gret
Palucca, führende Vertreterin des Ausdruckstanzes, hatte 1925
eine Ausbildungsstätte eröffnet, die 1949 den Status einer
Staatlichen Fachschule für künstlerischen Tanz erhielt.
Mit dem für die 1950er Jahre bemerkenswerten Neubau wurde ein repräsentativer
Rahmen für eine tänzerische Ausbildung auf höchstem
Niveau geschafffen. Der Mittelbau der in ihrer Traufhöhe an die
umgebende Villenbebauung angepassten Schule nimmt die Bauflucht des
Rundplatzes mit einer konkaven Wölbung auf. Seine Fassade wird
durch hochrechteckige Fenster und geputzte Lisenen gegliedert und
durch ein Sandsteinsockel zusammengefaßt. Der zentral angeordnete
Eingang wird durch die Bronzeplastik einer Tänzerin von Rudolf
Löhner, ein großformatiges Fenster und eine erhöhte
Traufkante betont. Zwei unterschiedlich lange Seitenflügel mit
Lisenengliederung und Eckbetonung durch Rustikaimitationen flankieren
den Mittelbau. Den östlichen Abschluß des Gebäudekomplexes
bildet ein Anbau von 1982 mit Ballettsälen." (Architekturführer
Dresden 1997)
Die neue Tanz-Hochschule von 1953- 55 ordnet sich einerseits in die damaligen Forderungen nach Formen der "nationalen
Tradition" ein. Das äußert sich in der strengen Symmetrie des
Gebäudes zum Platz zu, in Putzfassaden, Betonung der Mittelachse durch
das Material Sandstein, Rustikaimitaten, mehreren Simsen oder in den hochrechteckigen
Fenstern mit Holzsprossen. Andererseits versucht der zweistöckige Bau möglichst
nicht zu überladen in Erscheinung zu treten und in einer Form zu
bleiben, die mit dem konkaven Schwung eine dezente Moderne anstrebt,
zu der auch der Verzicht auf ein Ziegelsatteldach zählt. Mehr noch
künden in der Innenarchitektur die fließenden Linien von einer
moderneren Haltung. Dazu zählt auch der klar funktionale Grundriss. Dennoch bleibt der Grundeindruck, wie
demonstrativ die SED-Politik in der Kultur- und Kunststadt Dresden eine
Hochkultur anstrebte, der es nicht an zur
Schau gestellten Pathos mangelte.
Zum
Werk von Rudolf Löhner (1890- 1971):
https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Löhner
Die Tänzerin
Löhners
Bauplastik "Tänzerin", zentral in der Mittelachse an der Wand
des Scheingiebels auf einem kleinen Sockel stehend, ist noch relativ
in der Ästhetik der 1930er gefangen. Nur bedingt wird hier ein
Sozialistischer Realismus gezeigt. Die statuarische Figur hat auch
nichts mit der wilden Kraft des avantgardistischen Ausdruckstanzes der
jungen Gret Palucca in den 1920er Jahren zu tun. Etwas steif und
unbeweglich steht eine spannungslose ernste Frau und bewegt die Arme
leicht. Sie wirkt mit der geraden Körperhaltung und dem
durchgedrückten rechten Bein eher in Ruhe als mitreißend dynamisch.
Löhner, ausgebildet u.a. bei Wrba in Dresden 1908-11, war ein
Mitläufer in der NS-Zeit und trat bereits 1932 in die NSDAP ein.
Gret Palucca reaktivierte 1951 den Begriff Neuerer
Künstlerischer Tanz, mit dem sie den damaligen "Kampf gegen
Formalismus" und die drohende Umwandlung ihres Tanzinstitutes in eine
Ballettschule nach sowjetischen Vorbild zu umgehen versuchte. Ihre
künstlerische Haltung konnte nicht in die Konzeption der
baubegleitenden Bronzefigur einfließen.
Kunst im 20. Jahrhundert emanzipiert sich, entfremdend dem Bau
Kunst am Bau - wie in vielen Gebäuden der 1920er bis 1950er Jahre
tauchte plastisch Schmückendes nur noch als appliziertes autonom-eigenständiges
Kunstwerk auf, welches sich vom Bau immer mehr emanzipierte. Diese
Entwicklung führte ab den 1960er Jahren zur absoluten Abkehr der
Plastik als selbständige Kunst neben dem Gebäude.
Auch bei der Palucca-Schule geht die Bronzefigur von Rudolf Löhner
nicht organisch aus dem Bau hervor. Kunst und Gebäude
sind keine Einheit mehr.
Gegenständliche conta abstrakte Kunst
Dennoch wurde 1953 auf der 3. (noch ansatzweise
Gesamt-) Deutschen Kunstausstellung in Dresden die Einheit
der Kunst des Sozialistischen Realismus mit dem Bauwerk propagiert.
Am 29.04.1954 wird dagegen in Kassel der Verein "Abendländische Kunst
des XX. Jahrhunderts" als Gegenbewegung des westdeutschen Staates
der Bundesrepublik Deutschland gegründet. Die Aufgabe des neuen Westvereins
war die Vorbereitung einer gleichnamigen Ausstellung anläßlich der
Bundesgartenschau 1955 in Kassel. Mit der Konstituierung dieses Vereins
wird der Grundstein für die "documenta" gelegt, die bis heute Kunstzentrum
des wiedervereinten Deutschlands bzw. Europas ist. Heute ist Dresden
als Zentrum zeitgenössischer bildender Kunst dagegen im internationalen
Maßstab praktisch (fast) ohne Bedeutung, obwohl auch in Dresden
eindrucksvolle moderne Kunst (am Bau) entsteht, wie z.B. die Installation
"Treibender Rhythmus" 2006 im Anbau der Palucca-Schule.
Herbert Schneider (1903- 1970)
1954 setzte das Ministerium für Aufbau Schneider als Chefarchitekt
der Stadt Dresden ein. Schneider betreute die städtische Planung für
das Stadtzentrum, die Südvorstadt und die Seevorstadt in Dresden.
zu Leben und Werk Herbert
Schneiders: (Anke Petersilie's Arbeit 1999 an der Uni Leipzig
bei Thomas Topfstedt.)
Schneider arbeitete ab 1928 im Architekturbüro von Hans Richter. Ab
1933 bis 1943 war er freischaffender Architekt
in Sachsen. Hauptsächlich: landschaftsgebundene Einfamilienhäuser.
Mitglied der Reichskammer der bildenden Künste. Ab 1943 Kriegsdienst
an der Ostfront.
Dezember 1946 Rückkehr aus sowjetischer Kriegsgefangen-schaft
nach Dresden zurück. Ab 1946 Mitglied der SED.
September 1954 setzte das Ostberliner Ministerium für Aufbau Schneider
als Chefarchitekt der Stadt Dresden ein. Schneider betreute die städtische
Planung für das Stadtzentrum, die Südvorstadt und die Seevorstadt
in Dresden.
Werke in Dresden u.a.:
1942:
Verwaltungsgebäude der Fabrik Universelle in Dresden
(mit Hans Richter), Zwickauer Straße 48–58
1949 Kiosk am Fetscherplatz
1952 Jugendklubhaus Scheune, Alaunstraße 36-40
(Überformung: umfassender Umbau +
Erweiterung 2022- 24 durch Walter
Miller Architektur)
1953 - 58 Altmarkt Ostseite +
Wilsdruffer Straße 15–21
1953-1954 Wohnbebauung Nürnberger Straße 10-28, 13-31
Geschichte der Palucca- Schule:
https://palucca.eu
Zum Leben von Gret Palucca
www.wikiwand.com/de/Gret_Palucca
Literatur:
Ralf Stabel: Vorwärts – Rückwärts
– Seitwärts – mit und ohne Frontveränderung. Zur Geschichte der
Palucca Schule Dresden. Noetzel, Wilhelmshaven 2002
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Betonter Mitteleingang Foto: 2006 TK,
Vergrößerung
Paluccaschule mit
konkaven Schwung zum runden Platz zu, Foto: 1956 Dt. Fotothek
Foto: März 1956 Dt.
Fotothek, Korridor 1. OG
Foto 1956: Ausscnitt -
Leuchte aus verchromten Stahl und Milchglas (nicht mehr vorhanden) -
Dt. Fotothek
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Neubau
/ Erweiterung 2004-05
Die Architekten des Neuen Kongreßcenter ICCD H.Storch/W.Ehlers
& Partner zu ihrem neuen gläsernen Anbau an die Paluccaschule.
Auf der Webseite der Architekten wird der Anbau erläutert:
Zone I
beinhaltet die beiden zur Tiergartenstrasse orientierten Villen nebst
Gärten. Unter dem Hauptbegriff Geist werden hier die Raumgruppen Hochschulstudium
Theorie und Übergeordnete Einrichtungen mit Bibliothek und Unterkünfte
für die Gastdozenten zusammengefasst.
Zone II
ist unter dem Begriff Bewegung einzuordnen. Dieser Bereich bildet
die Hauptraumgruppe Hochschulstudium Tanz. Er beinhaltet die Physiotherapie
und die Tanzsäle, die zum abgesenkten Außenbereich orientiert sind.
Zone III
umfasst das Altgebäude am Basteiplatz und die Neubauten an der Wiener
Strasse. Unter 'Arbeiten und Wohnen' sind hier Hochschulleitung, Verwaltung,
Mensa und das neue Internat zusammengefasst.
So wie Lazlo Moholy-Nagy schreibt: Palucca verdichtet den Raum, sie
gliedert ihn, ist auch der Neubau zu verstehen: zu einer kompakten
Figur zusammengefasst, aber dennoch klar nach Funktionen gegliedert,
die im direkten Bezug zum angrenzenden Altbau stehen und mit diesem
funktional verschmelzen.
Erweiterungssbau
(Ausschnitt) von Storch, Ehlers und Partner, Aufnahme: Mai 2006 -
noch mit Absperrgitter. (Foto: T.Kantschew)
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Glasanbauten in kubischen Pavillonformen, Foto: 2007 T.Kantschew,
Vergrößerung
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Das Motiv der farbigen Fensterrahmen, welches die Architekten für den Neubau verwendeten, gefiel der Hochschule so gut, dass sie es 2011 sogar für ihr neues Logo der Palucca-Schule einsetzte. Dabei passt ja das Thema Rahmen auch zum Theater. (Quelle: Logo www.palucca.eu) |
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Grundriss Paluccaschule Dresden - Hochschule für Tanz (von SEP, 2004)
Links Altbau 1955 zum runden Basteiplatz, rechts: Neubau 2004 von
Storch, Ehlers, Partner und oben: kleine Gründerzeitvilla als
Ursprungsbau des Ensembles.
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DBZ,
Deutsche Bau Zeitschrift, August 2006:
"Treibender Rhythmus - Skulptur in Dresdner Tanz- Schule übergeben",
Artikel von Benedikt Kraft
"
Ich will nicht hübsch und lieblich tanzen ! ", soll die Tänzerin und
Tanzpädagogin Gret Palucca (!902-1993) einmal gesagt haben, und das,
was der Künstler Roland Fuhrmann in der Verbindung zwischen Neu- und
Altbau installierte, ist genau solches nicht. Die 1925 von Palucca
gegründete Tanz-Schule in Dresden wird nach manchem Statuswechsel
zuletzt 1999 in einer Neufassung des Sächsischen Hochschulgesetztes
als Hochschule für Tanz geführt. Das war der Grund dafür, den Bestand
zu sanieren und um Neubauten zu ergänzen; darunter ist auch ein Internat
für 50 junge Tanztalente. Im Rahmen der feierlichen Übergabe - den
Realisierungswettbewerb gewann 2001 das Hannoveraner Büro Storch Ehlers
Partner Architekten, die Gesamtarbeiten sollen im nächsten Jahr abgeschlossen
sein - wurde auch die Installation Fuhrmanns, "Treibender Rhythmus"
übergeben, die den weitgestreckten Raum zwischen Alt- und Neubau auffüllt,
Alt und Neu verbindet.
Mit einer Länge von 7,50 m und einer Gesamthöhe von 2,30 m schwebt
die Skulptur aus neon-orangem Stahlrohr als scheinbar bewegtes, also
kinematographisches Element im Raum, unsichtbar zitternd, wie kurz
vor dem Sprung und doch schon mitten drin. Der Künstler legte seiner
Arbeit einen Filmausschnitt der tanzenden Palucca aus den 20er Jahren
zugrunde, den er in 30 Einzelbilder auflöste. Die 30 eingefrorenen
Tanzbewegungen abstrahierte und reduzierte er mittels der linearen
Verbindung der Körperextremitäten (Hände, Füße) in geometrische Form.
Alle diese Formen werden abschließend ihrer Chronologie entsprechend
räumlich aufgereiht, es entsteht eine fließende Bewegung, die den
ihr zugewiesenen Raum wie in einem Zeitlupensprung in eine Richtung
durchquert. Die Transparenz der Bewegungsabfolgen verleiht dem architektonischen
Raum Spannung, ohne dabei Blickachsen zu verstellen. Um die Arbeit,
die losgelöst von ihrer Geschichte als Tanzskulptur verstanden werden
kann, nachvollziehbar zu machen, wurden die originalen Filmsequenzen
des Palucca-Tanzes als transparenter Streifen auf jeder Etage ausgestellt.
Nicht hübsch, nicht lieblich, aber schön !
siehe
auch: www.rolandfuhrmann.de mit einer gif-Animation der Installation "Treibender Rhythmus" |
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Kunst am Bau: "Treibender
Rhythmus" von Roland Fuhrmann (Berlin, geb. in Dresden) im Verbindungsgang
von Alt- zum Neubau. Die Installation "schwebt" als Skulptur
aus neon-orangem Stahlrohr im Raum und verkörpert einen Tanz
von Palucca, aufgelöst und abstahiert in 30 einzelne Tanzbewegungen.
Foto: R. Fuhrmann
(Ausschnitt)
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Forstfachschule Tharandt
Studentenwohnheim und ehemalige
Forstfachschule (späteres Institut für Forstökonomie - ab 1956)
errichtet: 1952 - 1955 Adresse: Weißiger Höhe
Architekten:
Fred Pietzsch, Raimund Adam und Lorena Johne
Vom selben
Architekten Fred Pietzsch stammt die zeitgleich errichtete
Forstfachschule in Tharandt. Sie steht dominant als großer Baukörper auf
der Berghöhe und erregt mit ihrem hohen Satteldach und dem gebogenen
Baukörper Aufmerksamtkeit. Zuerst wurde das Internatsgebäude 1952-54
gebaut, danach folgte 1954-55 das quer gestellte Schul- und Lehrgebäude.
Wie die Paluccaschule auch gestaltet der Architekt hier das Wohnheim mit
einem konkaven Schwung. Diese moderne Geste wird jedoch durch eine Menge
Prädikate der heimatgesättigten neuen Tradition kombiniert, wie
Fledermausgauben, Erker, Dachreiter,
Sgraffiti, schmiedeeiserne Balkone, handwerklich
gearbeitete Fensterprofile und Simse. Die dreigeschossige Schule soll sich demonstrativ
in die Landschaft einfügen und zeigt insgesamt ein eher traditionelles
Erscheinungsbild.
Das zur Zeit nur als Studentenwohnheim genutzte
stadtbildprägende Gebäude (genannt "Öko") soll verkauft und saniert
werden.
Quellen: Universitätsarchiv der TU Dresden – Plan-
und Zeichensammlung, Ansichten, Aufrisse, Schnitte
Südseite 2018, Foto: TK
Text: Thomas Kantschew |
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Studentenwohnheim nach Fertigstellung 1955,
Foto: Universitätsarchiv der TU Dresden,
groß
Wohnheim und Forstfachschule von der gegenüber liegenden Berghöhe,
Foto: Universitätsarchiv der TU Dresden,
groß
Zustand Gebäude 2018, Foto: TK,
groß
Nordseite Okt. 2018, Foto: TK,
groß |