Freilichtbühne "Junge Garde"
Sächsisches Flair in sozialistischer Gemeinschaft

 
Architekten:   Herbert Schneider (Ideenskizzen), Projekt:
Krista Grunicke, Kurt Röthig, Hans Konrad, Lothar Thiel, Heinz Hirsch (Freiflächengestaltung)
Künstler:   Schlußsteine von Vincenz Wanitschke und Johannes Peschel
Bauzeit:   1953 - 55
Adresse:   Großer Garten (süd-östlicher Bereich)


Das Grauen der völlig zerstörten Dresdner Innenstadt für ein paar Stunden vergessen - das war die Intention, im Volkspark Großen Garten eine Freilichtbühne zur Unterhaltung "sozialistischer Werktätiger und aller Schichten des Volkes" zu schaffen. Ja, volkstümlich sollte die Architektur sein und ebenso das dargebotene Programm dieses sozialistischen Open Air Theaters.

Das längliche, leicht konvex gebogene Bühnenhaus erinnert aber eher mit seinen zweistöckigen Flügelrisaliten und dem einstöckigen Verbindungsgang samt Rundbogenfenstern
an ein kleines sächsisches Sommerschlösschen. Ein interessanter Bau, der die staatlich gelenkte volksnahe Bodenständigkeit dieser DDR- Architektengeneration der Nachkriegszeit gut demonstriert.
Die Freianlage hat die Form eines Ovals, sie besteht aus 35 Sitztraversen in Form einer parabolischen Kurve und bietet bei einem Höhenunterschied von ca. 6 m von der ersten bis zur letzten Traverse gute Sichtverhältnisse. Insgesamt sind 5000 Zuschauerplätze vorhanden.


1956 - Dresden feiert sein 750.Stadtjubiläum

Eine Vielzahl regionaler, traditioneller Architekturelemente wurde von den Architekten wieder aufgenommen: Dachgauben, Gesimse, farblich betonte Spiegelfelder unter den mit Sprossen gegliederten Fenstern, Ballustradenmauern und geschwungene Schieferdächer im adaptierenden Stil der Chinoiserie (ähnlich in Pillnitz!) oder die Rundfenster im Eingangsbau, die schon Heinrich Tessenow in seiner Sächsischen Landesschule 1925 verwendete. Auch die herkömmlichen Sandsteineinfassungen von Fenster und Türen finden sich in der Anlage wieder.
Regionale und ortstypische Bauformen - möglicherweise besteht auch ein Zusammenhang zum ein Jahr später stattfindenden Stadtjubiläum, auf dem ganz bewußt auf lokale Traditionen geschaut wurde.

Das Freilufttheater hat in seiner Gesamtkomposition eine klassisch antike, nahezu halbrunde Kreisaufteilung mit sanft ansteigenden Zuschauerreihen. Am oberen Rand der Anlage befindet sich ein mit der Bühne korrespondierender Bau für Einlass, Pausenversorgung, Büros und sanitäre Einrichtungen. Auch hier wurde das Dach mit sächsischen Schiefer aus dem Vogtland gedeckt. Die Schlußsteine über den Türgewändern sind mit schmückenden Sandsteinreliefs (spielende Kinder) betont, im Inneren dagegen mit einem lachenden und einem weinenden Narr.

Krista Grunicke in "Deutsche Architektur" 1957
"Die architektonische Gestaltung
der Theatergebäude klingt an die Formensprache der Kavaliershäuschen im Großen Garten an. Ihre heitere barocke Note erscheint uns gerade für ein Freilicht-Theater besonders geeignet.
Auf einem schrägansteigenden Sandsteinsockel baut sich ein mit Putzlisenen feingegliederter Baukörper auf. Fenster- und Türrahmungen aus leichtprofiliertem Cottaer Sandstein kommen in den zweifarbigen Gelb abgesetzten Fassaden gut zur Geltung. (...)
In unserer zerstörten Stadt fehlt es an Versammlungs- und Konzertsälen. Das Freilicht-Theater trägt (...) dazu bei, die Kulturarbeit zu fördern. Unseren schaffenden Menschen wird dadurch die Möglichkeit gegeben, in größeren Maße als bisher am kulturellen Leben unserer Republik teilzuhaben."


Kollektivgefühl

Die Bezeichnung "Junge Garde" - bezog sich auf die enthusiastisch nach einer revolutionär neuen Gesellschafts-ordnung strebenden jungen deutschen Nachkriegsgeneration, wobei das Wort "Garde" eigentlich aus dem Französischen stammt und 'Wache' als Leib- und Ehrenwache der Fürsten bedeutete, auch 'schützen', 'bewachen'. Die junge DDR deutete dann dieses Wort einfach, offenbar auch in Fortführung der Arbeiterklassensprache, für ihre Zwecke um, wobei selbstverständlich sowjetische Jugendbewegungen eine große Rolle spielten. Junge Garde - im Russischen "molodaja gwardia" - hieß z.B. eine berühmte Literatur-zeitschrift der 20er Jahre in der UdSSR.
Eine Plakette erinnert am Eingang "Auf Vorschlag und mit tatkräftiger Unterstützung der Freien Deutschen Jugend unserer Stadt wurde im Nationalen Aufbauwerk das Freilicht-
theater Junge Garde im Jahre 1955 erbaut".

Ganz entfernt erinnert die Anlage der "Jungen Garde", das sei am Rand erwähnt, an die Propaganda-Freilufttheater der Nationalsozialisten - die Thingstätten. Doch die heitere Farbigkeit in Ocker und Altrosa, die sächsischen Anleihen und insbesondere die geschwungenen Dächer lassen sofort Assoziation zur NS-Zeit schwinden.
Die leichte Hanglage ergab sich übrigens aus der Ausnutzung einer ehem. Kiesgrube.


Zukunft

Die stark sanierungsbedürftige Freilichtbühne Junge Garde soll laut Dresdner Schlösserchefin Andrea Dietrich mit einer geringen, denkmalpflegerisch akzeptablen Erweiterung im Bestand saniert werden.

 


 


Junge Garde - 2005 mit neuer Bühnenarchitektur

 

Foto Zustand Feb. 2004, Vergrößerung

Angenehmes Kollektivgefühl 1957
Während einer Vorstellung 1957

Eulenspiegel mit schmerzverzerrtem Gesicht - eine versteckte politische Anspielung? Über dem anderen Eingang das Gegenteil: ein feixender Narr. Schlußsteine von Vincenz Wanitschke und Johnannes Peschel

Sandsteinrelief über dem Bühnenflügel.
"Saure Wochen, Frohe Feste. 1955" - Bühneneingang

Schmiedeeisernes Eingangsgitter, Zustand 2005Junge Garde 2005
Zum Vergleich: Parktheater zur Jubiläums-Gartenbau-Ausstellung Dresden 1926

Während sich die Architektur des Freilufttheaters "Junge Garde" historisierend neobarock komplett den Vorgaben der "Nationalen Tradition" beugt, zeigt ein anderes Beispiel von Openair-Theater im Großen Garten, dass man drei Jahrezehnte vorher einem ganz anderen architektonischen Leitbild huldigte: der klassischen Moderne bzw. dem Neuen Bauen.



Zur Jubiläums-Gartenbau-Ausstellung Dresden 1926 baute der bekannte Gartenarchitekt Gustav Allinger, der auch den Generalplan für die gesamte Ausstellung schuf, ein intimes kleines Sommertheater auf dem Ausstellungsgelände südlich der Herkulesallee.



Die Form der Sitzreihen hatte damals eine bestechende geometrisch klare runde Form. Das kleine Theatergebäude selbst war dem Rund in einer eleganten Biegung angepasst - ohne jede historisierende Anmutung, dafür aber im Eingangsbereich von einer anmutigen Frauenplastik geschmückt.
Gustav Allinger hatte übrigens die Form des Kreises in seiner Gesamtkomposition der Gartenbau-Ausstellung immer wieder verwendet.