Büro- und Hotelgebäude - Motel One am Postplatz "Zwingerforum"
Hineinragender Riegel 2013        Planung von 1991        Erinnerung an 1931 und 1969

 
Architekten: "see architekten" https://see-architekten.de
Generalplanung (Gebäudeentwurf und Konzeption)
Teilauftrag Fassade:
Knerer & Lang - www.knererlang.de
Städtebau: Joachim Schürmann + Mitarbeiter - 1991
Bauherr: TLG-Immobilien GmbH
Bauzeit: 2010 - 2013
Adresse: Freiberger Straße/ Schweriner Straße
Nutzung: Hotel (7600 qm Nutzfläche)
Büro- und Nebenflächen (4000 qm Fläche)
Webseite für das Hotel am Zwinger:: www.motel-one.com

MK 4c Grundstück

Blau gekennzeichnet: MK4c in einer "Freianlagenplanung für die Planfeststellung" 2004, Noack Landschaftsarchitekten (Ausschnitt) - Quelle:  www.dresden.de


Visualisierungen: TLG Immobilien



Schürmannplan, teilweise modifiziert Vergrößerung
(original 1991, siehe rechte Spalte)





Baufelder Postplatz - MK 4c = Motel one

Das MK4c bezeichnete Grundstück zwischen der verkehrsentwidmeten Schweriner Straße und der Freiberger Straße wurde von 2010- 13 mit einem 2-Sterne Hotel der Kette Motel One sowie ergänzender Bürofunktion bebaut.
Der städtebauliche Entwurf stammte allerdings aus einem  Wettbewerb aus dem Jahr 1991, ist also erst zwanzig Jahre später umgesetzt worden. Die konkete Fassadengestaltung entwickelte das renomierte Dresdner Büro Knerer & Lang. Die Gesamtarchitektur stammte von "see architekten"
, welche auch einen eigenen Fassadenentwurf vorlegten, aber nicht gewannen.


In den Platz ragt ein auf Säulen ruhender Gebäuderiegel. Entwurf: Knerer & Lang

SZ vom 30.04.2010:
"Wir haben uns bewusst für eine robuste, flächige Lochfassade entschieden, weil so am besten der Eindruck einer ablesbaren Platzkante entsteht", erläutert Thomas Knerer seinen Entwurf. Das sei auch eine zeitgemäße Antwort auf den Dresdner Zwinger gegenüber.  Markantes Zeichen ist ein in den Platz hineinragender, auf Säulen ruhender Riegel. Die Grundgestalt wurde bereits mit dem seit 1999 gültigen Bebauungsplan vorgegeben. An ihm hält die Stadt fest.








Abgerundete Rückseite

Spruch auf dem Dach

Im Gegensatz zum Bebauungsplan sollen die Säulen jedoch nur über zwei und nicht drei Geschosse reichen. Damit erhält der Riegel ein Geschoss mehr. „Er wirkt damit nicht so gestelzt“, sagt der 46-jährige Knerer. Als oberen Abschluss des Gebäudes hat er etwa ein Meter hohe Metallbuchstaben vorgesehen. Sie ergeben – passend zur Hotelnutzung – den altgriechischen Spruch:
„Ein Leben ohne Freude ist wie eine weite Reise ohne Gasthaus".

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Hauptmieter ist die Hotelkette Motel One mit einem Zwei-Sterne-Haus (287 Zimmer). Es gibt eine Tiefgarage mit 163 Plätzen sowie Büros und Restaurants.


Dresden weltoffen: Welcome Center
Juli 2012: Neben Hotel und Büros wird noch ein zusätzlicher Mieter einziehen: die Stadt Dresden wird im EG ein "Welcome Center" eröffnen, als Anlaufstelle für internationale Experten. Dies ist ein Beitrag zur Exzellenzinitiative von Stadt Dresden und TU Dresden, welche seit 15. Juni 2012 den begehrten Titel Exzellenz-Universität trägt.

Das Konzept der Low-Budget-Kette Motel One ist es, preiswerte und schnörkellose Übernachtungen in der Innenstadt anzubieten, die aber meistens an befahrenen Hauptstraßen oder an Bahntrassen liegen. Die Baukultur (zumindest in der Außenfassade) hält sich meist in überschaubaren Grenzen, aber aus eingesparten gestalterischen Extras ergibt sich oft ein attraktives Preis-Leistungsverhältnis. Im Inneren der Hotels läßt sich ein gewisser Designanspruch erkennen.


Eingangslobby (Foto: April 2013 TK)

Mathias Horst, Jury-Mitglied beim Fassadenwettbewerb und Vertreter der Architektenkammer, verteidigt bei einem erneuten Architekturstreit den Entwurf von Knerer & Lang in der SZ vom 04.05.2010. Unter anderem wird argumentiert:


Der betont bildungsbürgerliche Spruch des altgriechischen Philosophen Demokrit, welcher sich am Dachabschluss des gesamten Gebäudes in mehrfacher Wiederholung wie eine Laufschrift entlangzieht, wirkt ästhetisch zwiespältig. Auch sein Zusatz, ebenfalls von Demokrit "Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende" erinnert an hohle Propagandaparolen, die noch vor 25 Jahren an vielen DDR-Gebäuden simple politische Botschaften verkündeten. In einer Endlosschleife und auf eine Höhe von einen Meter aufgebläht, wirken heute auch antike Weisheiten nicht schön und vernünftig. Foto

 


Die Fassade ist mit Sandsteinriemchen in den oberen Etagen sehr fein gegliedert. Zudem wirke sie durch die unterschiedliche Anordnung der Fensterleibungen „gefaltet“. Horst: „Dadurch wirft das Sonnenlicht im Verlaufe des Tages immer andere Schatten. Eine sehr pfiffige Gestaltung.“
Die Fensteranordnung entspreche der Hotelnutzung und täusche keine falschen Tatsachen vor. Das sei ehrlich. Durch einen minimalen Rücksprung werde zudem die sehr lange Fassadenfronten aufgelockert. Der Riegel erhält nur einen zweigeschossigen Unter- und dafür aber einen viergeschossigen Oberbau. Auch das verbessert die Proportion.
Es wurden edle Materialien verwendet Das Hotel soll eine traditionelle Sandsteinfassade erhalten. Die Arkaden im Erdgeschoss bekommen eine Sandstein-Optik. Andere Entwürfe seien von einfacheren Materialien ausgegangen.


Standort Motel one am Postplatz (Foto: Stadtplanung Dresden)


Vorhang-Brunnen und Hotel, Foto: TK




Die Schweriner Straße wird zur Sackgasse. Leider verstellt das Hotel den Blick auf den Postplatz. LInks kommt noch Bebauung hinzu. MPP gewannen dazu den Wettbewerb. Foto: TK April 2013


Schürmannplan 1991

Der Schürmannplan von 1991 ist mittlerweile 20 Jahre alt und nach einer langen Phase der Vorbereitung werden mit dem Wilsdruffer Kubus und nun mit dem Baufeld MK4c die ersten eigentlichen Platzkanten errichtet. (Die neue Altmarktgalerie zählt allerdings nicht zum Schürmannplan.)

Was sind die herausragenden Merkmale des Schürmannplanes? Zuerst fällt die große Aufweitung des Postplatzes um - gegenüber der Vorkriegssituation - etwa die Hälfte auf. Angestrebt wird ein großstädtischer Platz mit Metropolencharakter. Fast alle vor 1945 bebauten Flächen, die in der DDR-Zeit zu Grünflächen wurden, werden im Schürmannplan der Postplatzfläche zugeschlagen.
Die angedeutete Halbkreisform aus den 1920er Jahren (siehe unten) wird dezent aufgenommen, Schürmann spricht aber vom Bild "Bogen und Sehne" (Schlossstraße).
Das Schauspielhaus, welches bis 1945 kein Teil des Postplatzes war, bildet nun eine unmittelbare Platzkante.

Da der Platz jedoch durch seine Aufweitung eine viel zu große Fläche ergeben würde, unterteilt Schürmann den Platz. Er wählt eine dominant in den Platz hineinragende kantige Riegelform, die wie ein Lineal entlang der verlängerten Freiberger Straße in den Platz stößt. So sollen optisch mehrere kleinere Platzsituationen entstehen (Roßberg: "Sequenz wechselnder Raumbilder"). Den Platz z.B. zwischen Riegel und Theater nennt Schürmann nun Schauspielhausplatz. Dieser soll noch eine Belebung erfahren durch einen kubischen kleinen Baukörper, der z.B. als Freiluftcafe genutzt werden könnte. (Details siehe:
www.j-schuermannarchitekten.de) Schürmanns Konzept will bewußt keine 'monolithische' Umbauung des Platzes, keine 'Plaza Mayor'. Vielleicht könnte man eher von einer Platz- landschaft sprechen. Allerdings war ein räumlich prägnant definierter Postplatz vom Preisgericht des Wettbewerbes bereits nicht angepeilt. "Es ist nicht zwingend, den Postplatz als Platz im üblichen Sinne zu verstehen" hieß es in einem sechs Punkte Papier zum Wettbewerb unter Vorsitz von Stadtbaurat Adrian (damals Hannover).

Der Riegel trennt die Innenstadt von der vernach-
lässigten Wilsdruffer Vorstadt.


Obwohl die Idee, etwas kleinere intimere Platzsituationen innerhalb der sehr großen Postplatzaufweitung zu schaffen, qualitativ Reizvolles hat, ergeben sich doch mehrere Nachteile:
- die Zerschneidung eines Platzes, der an sich eine
  einbindende sammelnde Kraft im zerrissenen Stadtgefüge
  haben könnte.
- eine wenig nachvollziehbare städtebauliche Aufwertung
  der Riegelspitze inmitten des Platzes, während andere
  Gebäude in die "zweite Reihe" rücken.
- die Zerstörung der Blickachse von der Schweriner Straße
  auf das "Wilsdruffer Tor". Die westliche Vorstadt, ein-
  schließlich der Friedrichstadt, wird optisch abgeschnitten.
  Die potentiell lebendig und vielfältig urbane Wilsdruffer
  Vorstadt wird durch die Riegelbarriere "abgehängt".

Der Schürmannplan bedeutet für den Postplatz eine gewagte Ausdehnung. Das fragile städtische Gefüge wird an dieser Scharnierstelle nur unzureichend zusammengeführt.
Die städtebauliche Form des Riegels schafft weniger Aufenthaltsqualität, sondern erzeugt Unruhe und Unübersichtlichkeit. Es gibt vor allem keine Verbindung Richtung Wettiner Platz auf der Schweriner Straße, ein Gebiet von hoher Authentizität und Geschichte.
Ein weiteres Gliederungselement im Schürmannplan ist die beabsichtigte Nachzeichnung der ehemaligen barocken Festungsbastion Saturn im Boden, welche für zusätzliche Verwirrung sorgt. Der Platz erhält keine klare Orientierung.


Urbanität der Großstadt

Positiv zu verzeichnen war die Idee, den ehemaligen Stadtwallgraben in der Wallstraße als langen belebenden Wasserlauf neu zu bauen, eingebettet in einem grünen Ring. Den Gedanken eines Altstadt-Promenadenrings hatten ursprünglich Stephan Braunfels / Ulf Zimmermann im
"west-östlichen Architekturworkshop Dresden" 1990, modizfiert von Braunfels 1991. Schürmann griff die Idee eines breiten Grüngürtels um die Altstadt in seiner Planung auf.

Plan "Gesamtkunstwerk Dresden" 1990 von Ulf Zimmermann (Dresden) und Stephan Braunfels (München)
"Gesamtkunstwerk Dresden" - Entwurf 1990 von Stephan Braunfels und Ulf Zimmermann mit Promenadenring, Vergrößerung

Tatsächlich ist mittlerweile (2023) nach 10 Jahren Fertigstellung des neuen Hotel- und Bürogebäudes mehr Dichte, Urbanität und städtische Räumlichkeit am Postplatz eingezogen. Außer einem Areal sind inzwischen alle Quartiere bebaut.


Schürmann-Planung für Riegelspitze viel transparenter

Ein im Schürmannplan im langen Riegel vorgeschlagenes Cafe wurde vom Bauherrn TLG-Immobilien dann über 20 Jahre später nicht mehr realisiert. Überhaupt hatte sich  Schürmann diese Spitze ganz anders vorgestellt. In seinen  Erläuterungen zum Plan schreibt er zu diesem Gebäudeteil: "Baukörper, der südlich aufgeständert erst im 4. OG beginnt, ist als Bebauung zur Gliederung mit gleichzeitig transparent- er Wirkung zwischen 'Postplatz' und 'Theraterplatz' ausgebildet. Der darunter angeordnete 'Gastronomiekubus' dient der Verstärkung dieses gliedernden, gleichzeitig transparenten und funktional differenzierenden Effektes im Stadtbild". Um mehr Bürofläche heraus zu bekommen, hat der Bauherr TLG dann bereits ab dem 3. OG ein Regelgeschoss errichtet und dem Bau insgesamt damit mehr Schwere verliehen.




1. Preis des Postplatzwettbewerbes 1991. Verfasser: Joachim Schürmann (Köln), mit Margot Schürmann, Ilse Kurz, Michael Scholz, Waldemar Walloschek


Modell Schürmannplan 1991 (original) - Vergrößerung


2. Preis. Verfasser: Hilmer & Sattler (München)


3. Preis. Verfasser: Witt und Partner (Freital/ Dresden)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Ausschnitt Schürmann-Modell 1995 mit der betont transparenten Riegelspitze



Wettbewerb Postplatz 1931

Um die Umgestaltung des Postplatzes in der Gegenwart zu begreifen lohnt ein Blick in die Vergangenheit:
Bei einem Postplatzwettbewerb der Staatlichen Kunstakademie 1931 unter Leitung von Wilhem Kreis hatte der Architekt Alfred Schubert einen völlig neuen Postplatz unter Beseitigung mehrerer historischer Gebäude am Platz vorgeschlagen. Rechts und links der Schweriner Straße (damals Wettiner Straße) waren zwei hohe steinerne, abgerundete Gebäude geplant, die nach Westen eine Art Torsituation ergeben hätten. Der Platz selbst hätte eine scharfe symmetrische Geometrie erhalten.


Quelle: U. Schieferdecker, Das war das 20. Jahrhundert in Dresden, Wartberg Verlag, Jahr 2000

Ein anderer Preisträger -Balduar Hartwig- hatte für die Lösung der komplizierten Verkehrsfrage am Platz ebenfalls einen Kreisverkehr vorgeschlagen. Die Umsetzung des Wettbewerbes kam über die Planungsphase nicht hinaus, die nationalsozialistische Stadtplanung hatte andere Pläne mit dem Postplatz.

 



Postplatz 1924: Der Gedanke an eine Halbkreisform lag tatsächlich nahe, da die Straßenführung von der Marienstraße über den Postplatz zur Sophienstraße in etwa eine Ovalform ergab, in deren Mitte der Durchbruch der Schweriner Straße (ehemals Wettiner Str.) den Halbkreis durchschnitt. Foto: Fotothek-SLUB
Postplatz, Sophienkirchenvorplatz und der kleine Dreiecksplatz vorm Palasthotel Weber ergaben eine spannungsvolle Kette mehrerer Stadträume.

 


Platzkante noch bis 1967: erhalten gebliebene Gebäude am Postplatz (gesamtes Palasthotel Weber ohne Dach + Gambrinus-Restaurant - abgerissen 1967) Foto: Fotothek-SLUB

Text auf dem Flachdach:
Motorladen "Start", danach Spätverkauf am
Postplatz, Foto: 1956 Fotothek/ SLUB

Generalbebauungsplan von 1967/ 1969

Geplant war im Dresdner Generalbebauungsplan von 1969
auf dem Postplatz eine riesengroße Verkehrskreuzung zu errichten, die ähnlich dem Pirnaischen Platz ausgedehnt hätte werden sollen. Die extrem breite Marienstraße wäre quer über den Postplatz verlängert worden und hätte südlich des Schauspielhauses eine neue Achse parallel der Ostraallee gebildet. Die Schweriner Straße wäre komplett am Postplatz aufgegeben worden, ebenso die Einmündung in die Ostraallee und in die Annenstraße. Richtung Zwinger und Schloss hätte es eine Fußgängerzone gegeben.
Der Verkehrsknotenpunkt Postplatz wäre durch diese Lösung auf lediglich vier zulaufende Straßen begrenzt worden.


Planung 1967/ 1969 am Postplatz
(Vergrößerung, gesamter Plan)



Großstadtkreuzung und verkehrsfreie Fußgängerzone im Sophienstraßen- bereich. Stadtmodell Generalplan 1969 - Blick auf den Postplatz mit Hochhaus- gruppe

Planung Umgestaltung Postplatz 1969
Nur das Restaurant am Zwinger und die Bürozeile mit dem "Haus des Buches"
wurden realisiert. Foto: Fotothek / SLUB


Postplatz im April 2013 mit fertig gestellten Gebäude (Foto: TK) - Vergrößerung



Mehr Informationen zur gegenwärtigen Postplatzplanung:

www.dresden.de  (Postplatz)

Literatur:

Ingolf Roßberg: Der Wettbewerb "Postplatz" und die Dresdner Innenstadtplanung, in: Dresden 1992. Erfahrungen und Perspektiven, arcus 17, Hrsg. Paulhans Peters, Köln 1992

West-Östlicher Architektenworkshop zum Gesamtkunstwerk Dresden 1990, Hochschule für Bildende Künste Dresden
Gerkan, Meinhard von [Hrsg.], Hamburg 1990
(Die Gruppe 4 um Carlo Weber befasste sich ebenfalls mit dem Postplatz.)

Quellen

Akademie der Künste (AdK), Berlin, Baukunstarchiv, Charlottenburg, Spandauer Damm 19.
Joachim-Schürmann-Archiv, Werkverzeichnis: WV 56 (Planung zum Postplatz Dresden)


Text: Thomas Kantschew 2010 fortlaufend