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Innenraum für die Friedenskirche in DD- Löbtau
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Eine der 30 schwer zerstörten Kirchen Dresdens war die Löbtauer Friedenskirche, ursprünglich erbaut 1889/91 von Friedrich Arnold in zeittypischer historistischer Mischung zwischen neoromanischer und neogotischer Formensprache. Im Rahmen des deutschlandweiten Notkirchenprogramms erhielt sie 1948-49 ein neues typisiertes, zeltartiges Kirchenschiff, das mit Holzfertigteilen auf den Resten der Umfassungsmauern errichtet wurde. Realisiert wurde diese Dresdner Notkirche von den Architekten Wolfgang Rauda und Arthur Bohlig. Ursprünglich war von der Gemeinde lediglich ein provisorischer Wiederaufbau der bestehenden Ruine vorgesehen, hat sich im Laufe der Jahrzehnte als gute praktikable Dauerlösung gewährt. ----- Ulrich Pantle: Die Notkirchen von Otto Bartning, in: Das XX. Jahrhundert. Ein Jahrhundert Kunst in Deutschland. Architektur in Berlin, Hrsg. A. Lepik, A. Schmedding, Köln 1999 Gegen die Orientierungslosigkeit: neue Kirchen als gemeinschaftsbildende Räume "(...) Das Ausmaß der Zerstörungen und Vernichtungen des Zweiten Weltkrieges offenbarte vor allem die Unfähigkeit des Menschen zu moralischer Integrität. Nachdem der erste Weltkrieg den Glauben an eine menschenfreundliche, beherrschbare Technik als Irrtum entlarvt hatte, standen im Rückblick auf die nationalsozialistische Diktatur vor allem die Unzulänglichkeiten des Menschen im Vordergrund. Die Zerstörung der Städte wurde mit der Orientierungs-losigkeit und inneren Leere des Menschen gleichgesetzt. Die Kirche hatte die zunehmende Entzauberung der Welt, den Vernichtungswahn des Menschen und die zerstörerische Seite der modernen Technikeuphorie nicht aufhalten können. In dieser säkularisierten Welt sahen Theologen beider Konfessionen eine Chance, auf den Trümmern des Krieges, auf neuer Grundlage wieder eine Instanz der Moral zu werden, nachdem in der Moderne die moralische Hoheit zunehmend von weltlichen Institutionen und Personen übernommen worden war. Bereits im August 1945 hatte die evangelische Kirche auf ihrem ersten Kirchentag in Treysa das Hilfswerk der evangelischen Kirche in Deutschland ins Leben gerufen. (...) es sollte auch der kirchliche Wiederaufbau unterstützt werden. Aber wie sollte in dieser Zeit umfassender Not gebaut werden. Die unmittelbar nach Kriegsende vom Ausland gestifteten Holzbaracken, die zu Kirchenräumen umgenutzt wurden, schienen keine Antwort auf die Frage nach der Gestalt für einen zeitgemäßen Kirchenraum zu sein. Sie waren zu klein. Das vorhandene Trümmermaterial konnte nicht eingesetzt werden, und schließlich wurde die Lebensdauer nicht hoch angesetzt. Einen Vorschlag bot Otto Bartning mit dem Entwurf eines standardisierten Kirchenbaus an. Bartning hatte sich bereits zwischen den Weltkrieg einen Namen als Kirchenbaumeister gemacht und gab mit seinem Buch "Vom neuen Kirchbau" schon 1919 wichtige Impulse für den evangelischen Kirchenbau. Bauten z.B.: Stahlkirche auf der "Pressa-Ausstellung in Köln", Rundkirche in Essen oder die Gustav-Adolf-Kirche in Berlin Charlottenburg. Sie galten als Leitbauten. Warmer Innenraum und konstruktive Einfachheit Bartning arbeitete nach Kriegsende in der 1945 gegründeten Bauabteilung des Evangelischen Hilfswerks. Als Alternative zu den Holzbaracken wurde ein Typenprogramm für einen evangelischen Kirchenbau in Varianten mit 350-500 Sitzpläten entworfen. Dieser Entwurf einer Notkirche sollte kein provisorischer Notbehelf sein. Wo es nur irgend ging, wurden die vorhandenen Trümmer als Baumaterial mit einbezogen und existierende Fundamente oder Ruinenteile wiederverwendet. Alte Nägel z.B. wurden gesammelt und gerade geklopft. Die von Hand gesäuberten Steine wurden als Baumaterial wiederverwertbar gemacht. Da Materialen wie Stahl, Eisen und Beton fast nicht zur Verfügung standen, kam für das Tragwerk nur Holz in Frage. Bauholz war äußerst kostbar, jedoch am ehesten verfügbar. Die erste Notkirche konnte als Musterbau im Oktober 1948 in Pfortzheim fertiggestellt werden. Zur Einweihung der Kirche sagte Bartning: "Wir sind nun Kenner der Wüste geworden, der äußeren wie der inneren. Wo aber zwei oder drei in der Wüste sich treffen und am besonderen Blick der Augen sich erkennen, da bleiben sie zusammen. Und wenn ihrer dreißig oder vierzig oder vierhundert werden, so werden sie eine Gemeinschaft bilden des Schweigens, des zögerlichen Redens und des plötzlichen Betens und Singens. Solche Gemeinschaft in der Wüste aber wird den Ring von Steinen legen und wird ein Zelt bauen, nicht nur um den Ort des Zusammenlebens zu sichern, sondern um diese ihre Gemeinschaft des Geistes sichtbar und also auch in den Sinnen wirtsam zu machen." Für
Bartning lag in dieser Aussage sowohl eine religiöse wie auch
eine architektonische Seite der Sinnstiftung, die auf sein gesamtes
Werk Einfluß hatte. In dem Vortrag "Vom Sinn des Bauens",
1946 in Heidelberg, definierte er Baukunst als "die Erfüllung
der praktischen Not mittels der besten Konstruktion zu einer Befreiung
der Seele". In Verbindung mit dem Raum als dem eigentlichen Thema
der Architektur führt diese Aussage zum wesentlichen architektonischen
Verständnis Bartnings, zur Raumbildung durch Konstruktion. Einen
vielschichtigen Verständnis von Konstruktion, das weit über
stilistische Merkmale hinausweist." |
Friedenskirche Dresden, neuer Innenraum 1949
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Architektur
für ein noch durchlässiges Deutschland
Der Architekt
Otto Bartning Webseite: www.otto-bartning.de
- Leben und Werk des Baumeisters, Bartnings Kirchenbauten, Informationen
zum modernen Kirchenbau von der OBAK (Otto-Bartning-Arbeitsgemeinschaft-Kirchbau
e.V. in Berlin)
Jürgen Bredow,
Helmut Lerch: Materialien zum Werk des Architekten Otto Bartning,
Darmstadt 1984 |
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