Altenzentrum Schwanenhaus der Ev.-Luth. Diakonissenanstalt Dresden
Wiederaufbau und markant postmoderner Neubau zur Elbe
   
Bauherr:   Ev.-Luth. Diakonissenanstalt e.V.
Architekten: Günter Fischer

Bauleitung: Peter Forstmann (Diako)

Günter Kretzschmar (Freiflächengestaltung)
Zusammenarbeit im:
Landschaftsarchitektur-Büro Kretzschmar, Bartl, Blume
Bauzeit:   1986 - 91
Adresse: Holzhofgasse 8 - 10
Überformung
und Neubau:
  2020-22

Bauherr: DIAKO Seniorenhilfe GmbH

Hillebrandt Berlekamp Architekten
www.hillebrand-berlekamp.de
Grundriss Erdgeschoss des Projektes Altenzentrum der Ev.-Luth. Diakonissenanstalt Dresden, 1987, Vergrößerung



Die Ev.-Luth. Diakonissenanstalt in der Dresdner Neustadt wollte Mitte der 1980er Jahre die jahrzehntelang brachliegende Ruine des klassizistischen Schwanenhauses wiederaufbauen und ein Altenpflegezentrum für Feierabendschwestern und andere pflegebedürftige alte Menschen errichten. Das großzügige Grundstück an der Holzhofgasse Richtung Elbe, ab ca. 1790 zum "Coselschen Garten" gehörend, bot auch Platz für einen gut gegliederten Neubau. Schließlich waren Gelder der westlichen evangelischen Kirche der Bundesrepublik  ("Geriatrieprogramm") bereit gestellt worden, die für einen Neubau verwendet werden durften. Aus diesem Grund entschloss man sich für eine anspruchsvolle Architektur mit Schauseite nach Süden zur Elbe hin.
Der Wiederaufbau des eleganten langgestreckten Schwanenhauses von 1826/27 musste jedoch aus Eigenmitteln finanziert werden, mit der Folge von ungezählten freiwilligen, als sogenannte Feierabendarbeit vergütete Arbeitsstunden verschiedenster Gewerke. Während die Ruine der berühmten Semperschen Villa Rosa, nur ca. 80 Meter entfernt, 1955 abgetragen wurde, konnte die Ruine des durch Brandstiftung am 11. Mai 1945 zerstörten Schwanenhauses über die Jahrzehnte gerettet werden.

Das in den späten DDR-Jahren und der Wendezeit entstandene Ensemble, hinter hoch gewachsenen Bäumen versteckt, geht etwas in der öffentlichen Aufmerksamkeit unter. Zu Unrecht!
Gerade der 2021/22 stattfindende Umbau des elbseitigen  Bettenhauses und die damit einher gehende Beseitigung aller Besonderheiten der markanten Ostmoderne, evoziert eine Rückschau auf diesen bemerkenswerten Wendebau.


Aufbruchmomente
Dieser eigenwillige und charaktervolle Bau zeigt(e) eine bestimmte Geisteshaltung von Aufbruchstimmung. Die post-moderne Südseite will sich von der Monotonie einer standardisierten Einheitsmoderne hin zu einer individuellen Gestaltung lösen. Ein starkes Profil der belebten Fassade signalisiert Bewegung und Aufbrechen von Erstarrungen. Wirklich sehr schade, dass die gesamte Fassade 2022 abgebrochen wird und einer nüchternen Lochfassade ohne Balkone und Terrassen weichen wird.


Foto 2021: T.Kantschew Vergrößerung


Bettenhaus
Dieses zur Elbe gelegene Bettenhaus besaß auf jeder der drei Etagen 9 Zweibettzimmer und 4 Einbettzimmer (= insgesamt 66 Betten) sowie ein belichtetes Untergeschoss. Der Neubau ist in seiner Kubatur versetzt angeordnet, um lange triste Flure zu vermeiden und den Bau dadurch aufzulockern. In der Mitte jeder Etage befindet sich jeweils der große Gemeinschafts- und Speiseraum als Scharnier mit einer sehr großen Gemeinschaftsterrasse für alle Bewohner.
Es ist dezidiert kein Plattenbau, sondern eine Konstruktion aus Betonstützen, die mit Gasbetonsteinen ausgefacht wurde.
Besonders auffällig an der Fassade zur Südseite hin sind die  dreieckig herausragenden Fenster, die sich als Erker durch alle Geschosse ziehen. Westliche Vorbilder aus den 1980er Jahren der Bundesrepublik, aber auch eigene Einflüsse, wie die dreieckigen Balkone des Dresdner Hochhaustyps (Apartmenthaus G 4) flossen in die Gestaltung mit ein. Foto
Bestimmte architektonische Elemente wie die Erker wurden mit eleganten schwarzen Eternitplatten in Schieferassoziation verkleidet. Heller weißer Putz wechselt mit ockerfarbenen Balkonbetonbrüstungen.
Zur Nordseite hin ist die Fassade mit Funktionsräumen sachlich gehalten. Im Untergeschoss war bis 1996 eine Behinderten-werkstatt untergebracht.

Verbindungsbau
In diesem zwischen Alt-und Neubau funktional erforderlichen  Verbindungsbau befindet sich der zentrale Eingang mit vielseitig nutzbaren Foyer, der große Festsaal mit Bühne & Cafeteria sowie Funktionsräume. Ein begrüntes Dach sorgte schon 1991 für ein ökologisch besseres Mikroklima.

Altbau Schwanenhaus
Das klassizistische ursprünglich zweigeschossige Gebäude war 1826/27 von Woldemar Hermann als Wohnhaus gebaut worden. Schon 1928 erwarb die Diakonissenanstalt das Gebäude, 1932/33 wurde es aufgestockt und diente Diakonissen und Schwesternschülerinnen als Wohnung. Das 3. Geschoss veränderte die Proportionen der Kubatur ungünstig. Durch Brandstiftung am 11. Mai 1945 zerstört blieb die Ruine über Jahrzehnte auf dem Diako-Gelände erhalten. Als sich die Möglichkeit eines Neubaus im Coselgarten ergab, gehörte die Prüfung der Varianten Abriss oder Einbeziehung dazu. In der Abwägung aller wirtschaftlichen Aspekte entschied man sich zur Einbeziehung erhaltbarer Ressourcen. Der Architekt Günter Fischer war zudem in der Zeit Leiter der Projektierung im VEB Denkmalpflege Dresden.
1982 begannen erste Initiativen zum Wiederaufbau der äußeren Gestalt, der schließlich 1986 in den Beginn des Wiederaufbaus mündete. Nach Jahrzehnten als Ruine konnte eine annähernde äußere Rekonstruktion erfolgen, wobei lediglich das 3. OG als Halbgeschoss zurück gebaut wurde, was die funktional benötigten Räume zur Verfügung stellte und die Proportionen nicht mehr so stark beeinträchtigte - ein Kompromiss, begleitet von der Dresdner Denkmalpflege unter seinem damaligen Leiter Gerhard Glaser.
Heute befinden sich Physiotherapie, Ergotherapie und 14 Zimmer für betreutes Wohnen in den neuen modernen Räumen. Ein Aufzug und ein unterirdischer Tunnel ins Krankenhaus erleichtern die Infrastruktur.

Gartengestaltung
Die Landschaftsarchitektur stammt vom renommierten Büro Kretzschmar, welches so viele Gärten und Platzgestaltungen in Dresden der 1970er Jahre bis in die Gegenwart geschaffen hatte. Der elbseitige Garten ist mit abgeschlossenen Sitzecken, einer geschwungenen Teichanlage mit Wasserfall und rollstuhlgerechten Spazierwegen ein besonderes Gartendenkmal der Wendezeit um 1989/90 (auch wenn die Anlage nicht explizit als eingetragenes Denkmal gelistet ist).
Die Landschaftsarchitektur baut in ihrer romantischen Lage am Fluss auf Vorbilder des frühen 19.Jahrhunderts auf, konzentriert sich dennoch ganz auf die Bewegungsbedürfnisse der Senioren. Vergleich Gartengestaltung 1827 mit blau gekennzeichneten Schwanenhaus Foto Dt. Fotothek.

Einweihung 1. Advent 1991
Entstanden war eines der modernsten Altenzentren Sachsens und eines der beliebtesten Einrichtungen für viele Jahre mit langer Warteliste - sehr grün und ruhig gelegen, an einem historischen Ort und mit sehr spezieller Architektur und vielen Extra-Angeboten. Nicht zuletzt das christlich geprägte Umfeld bot in der Umbruchzeit der 1990er einen stabilen Anker.
Foto zur Einweihung des Altenzentrums im 01.12.1991 mit Schlüsselübergabe des Architekten Günter Fischer an die Oberin der Diakonissenanstalt, Diakonisse Anneliese Dietrich.
Foto: Manfred Lauffer


Erweiterung + Umbau und Modernisierung 2020-22
Nach 30 Jahren Nutzung war eine technische Ertüchtigung nötig geworden, die sich in einer größeren Modernisierung des Bettenhauses niederschlug. Leider hat diese zur Folge, dass alle Terrassen und Balkone, die zur markanten Fassade beigetragen haben, beseitigt werden (Visualisierung).
Der Umbau der  "DIAKO Seniorenhilfe GmbH" ergibt sich durch die neue Grundrissauflösung in Einzelzimmer. Es wird ein zusätzliches Geschoss mit Hotellösung aufgestockt, das unabhängig vom Altenheim agiert (betrieben von der Evangelischen Behindertenhilfe Dresden und Umland gGmbH).
Darüber hinaus wurden bereits zwei neue Gebäudeflügel hinzugefügt, was die Bettenkapazität deutlich steigerte. Nach Abschluss der Bauarbeiten wird die Diako Seniorenhilfe mit diesem Ensemble insgesamt 96 Betten besitzen, davon 78 in Einzelzimmern.



Grundriss des gesamten Ensembles mit zwei Neubauten und dem modernisierten Bettenhaus (ohne Balkone), Erdgeschoss,  Vergrößerung


Architekt Günter Fischer (1926 - 2013)

- Ausstellungshallen am Fucikplatz (heute Straßburger Platz)
 Konstruktion: Werner Barthel 1969

- Erweiterungsbau am Volkspolizeikreisamt am Neumarkt
1976-79

- Umbau des Hansahauses (alter Flughafen Dresden Klotzsche) 1974-75


Text: Thomas Kantschew (November 2021)


Links:

www.diako-dresden.de

https://www.kretzschmar-partner.de/

Von der Ost- zur Postmoderne. Architektur und politischer Wandel in Ostmitteleuropa
Konferenz im Deutschen Historischen Institut Warschau (Polen) 2019, www.dhi.waw.pl


Literatur

Manfred Lauffer (Red.): 150 Jahre Ev.-Luth. Diakonissenanstalt Dresden e.V.: Festschrift zum Jubiläum 1844-1994. Dresden 1994

Kirsten Angermann:
Die ernste Postmoderne.
Architektur und Städtebau im letzten Jahrzehnt der DDR.
Dissertation Bauhaus University Weimar (seit 2013) 
Kurztext PDF


Modell des Projektes mit Wiederaufbau Schwanenhaus an der Holzhofgasse, Bettenhaus zur Elbe hin und Verbindungsbau 1987, Vergrößerung



Plan Gartengestaltung vom Büro Kretzschmar-Bartl-Blume, 1991. Vergrößerung


Dreieckig herausragende Fenster zur Südseite, Foto 2021: T.Kantschew Vergrößerung


Neubau Bettenhaus Gemeinschaftsterrassen, Foto: 2021 T.Kantschew, Vergrößerung



Bettenhaus vor der Überformung, Foto: 2021: T.Kantschew, Vergrößerung


Bettenhaus Detaillösung Balkone, Foto 2021: T.Kantschew Vergrößerung


Balkonverkleidung mit Eternittafeln (in Schieferanmutung), Foto 2021: T.Kantschew, Vergrößerung


Blick in den geschwungenen Teich im Garten, Foto 2021: T.Kantschew, Vergrößerung



Zimmer kurz vor dem Umbau mit spitz zulaufenden Fenstern, Foto 2021: T.Kantschew, Vergrößerung, andere Grundrisslösung im Eckzimmer: Foto



Bettenhaus Treppenhaus, Foto 2021: T.Kantschew, Vergrößerung


Schwanenhaus an der Holzhofgasse, Foto  2021: T.Kantschew, Vergrößerung


Wiederaufgebautes Schwanenhaus Mittelteil, Foto 2021: T.Kantschew, Vergrößerung


Schwanenhaus Ruine nach Abriss nicht mehr verwendbarer Bauteile, Foto 1986: Peter Forstmann, Vergrößerung


Schwanenhaus Ruine vor dem Baubeginn 1986, Peter Forstmann, Vergrößerung


Schwanenhaus Entwurf zum Wiederaufbau als Kindergarten (mit nur 2 Stockwerken), Architekt Helmut Trauzettel, ca. 1981, Vergrößerung