Postplatz „Wilsdruffer Kubus“
Rasterfassade in Sandstein

 

Architekten: __Schulz & Schulz, Leipzig
Städtebau:   
__Joachim Schürmann, Köln - 1991
Bauherr:
_____TLG-Immobilien GmbH
Bauzeit: _____2007 - 08
Wettbewerb:
__2006
Adresse:
.__ __Postplatz/ Wilsdruffer Straße

Webseite des Architekturbüros Schulz & Schulz
(aus Leipzig): www.schulz-und-schulz.com

Büro- und Geschäftshaus mit Tiefgarage am Postplatz.
Der Gebäudekomplex besteht aus zwei Baukörpern: aus dem sogenannten "Wilsdruffer Kubus" im westlichen Teil und dem von der Straße zurückgesetzten niedrigen "Riegel" im östlichen Teil des Grundstückes, welcher das Restaurant "MAX" beherbergt.

Städtebauliche Planung vom Büro Schürmann von 1991
Der Schürmann-Plan entwickelte für den Eingang in die Ost-Westmagistrale eine markante städtebauliche Kubusfigur. Der 50 x 50 Meter große und 23,5 Meter hohe Neubau ragt (gegenüber dem Vorgängerbau) etwa zehn Meter in die Wilsdruffer Straße und 25 Meter in den Postplatz hinein.

Leider nimmt bereits diese städtebauliche Weichenstellung für einen derart hohen und massiv-kompakten Baukörper keine Rücksicht auf den gegenüber liegenden Zwinger. Die wuchtige Baumasse erdrückt maßstabslos das zierliche Bauwerk, während sich der Vorgängerbau (Restaurant "Am Zwinger") noch bewußt mit einer niedrigen Höhe von 3 Stockwerken begnügte.


Postplatz Stadtmodell mit eingearbeiteten Schürmannplan von 1991. Bildmitte: "Wilsdruffer Kubus" und ein zweites rechteckiges Gebäude in der gleichen Tiefe. Mehr Infos zur Postplatz-Planung auf www.dresden.de.

Joachim Schürmann, geb. 1926, ist in Dresden und Darmstadt aufgewachsen. Biographie + Werk

Joachim Schürmann, der noch den alten Vorkriegs-Postplatz kannte, wollte mit seinem Plan auch intimere Platzsituation-en schaffen:

Die kleineren Platzeinheiten bilden zusammen eine „molekulare“ Struktur, die vielfältige Nischen bewahrt oder erzeugt. Sie sind nicht nur – wie früher – Schnittpunkte von Verkehrslinien, sondern lebendige Stadträume für Handel und Wandel, Treffpunkte für Menschen, „Foyers“ für die kulturellen Einrichtungen ringsum, umso mehr, als der motorisierte Individualverkehr zwar noch über hin gelangt, die Plätze aber nicht mehr quert und kreuzt. Das Feld bleibt dem Fußgänger und dem Nahverkehr überlassen.

(aus den Erläuterungen Schürmanns zu seinen Umbauplänen für den Postplatz 1991)


Erst 15 Jahre nach seinem städtebaulichen Entwurf wurde 2006 ein
Gutachterverfahren für die Fassade des „Wilsdruffer Kubuses“ durchgeführt, den das Leipziger Büro Schulz & Schulz gewann.
Die Jury unter Vorsitz von Matthias Horst gab den zweiten Preis an das Büro: nps Tchopan Voss.
Die weiteren beteiligten Büros, Rohdecan Architekten, Junk & Reich, und Linie 4 gingen leer aus.

Zum ersten Preis bemerkt die Jury: „Die Arbeit überzeugt durch die Stringenz der gerasterten, angenehm richtungslosen Fassadengliederung. Der Verzicht auf eine horizontale Strukturierung des Gebäudes erzeugt eine in sich ruhende Kraft und eine wohltuende Erdung. Dieser Charakter wird durch den Sandstein unterstrichen, der durch die Aufdopplung im Bereich der Fensterbrüstungen noch betont wird. Die zweigeschossige Öffnung zum Postplatz überzeugt ebenso wie die zweigeschossige Arkade mit ihrer partiellen vertikalen Öffnung über die Dachfläche hinaus.“
Quelle: www.baunetz.de/db/news/?news_id=82415

Die Fassade aus Kalk- und Sandsteinen mit eingerückten Fenstern sollte mit Absicht etwas sachlicher ausfallen. TLG-Chef Volkmar von Obstfelder: "Wir wollen dem Zwinger gegenüber keine Konkurrenz machen, sondern vielmehr die historische Barockarchitektur durch moderne Architektur ergänzen." (Zitat aus SZ vom 24.05.08)

Fotonachweis: Schulz & Schulz


Modell: TLG-Immobilien - Entgegen dem Schürmann'schen Plan wird der Baukörper noch massiver und undurchdringlicher werden, als der städtebauliche Plan es vorsah. Vergleiche Bebauungsplan oben links!


Kubus am Postplatz, Dez. 08

Arkaden & Durchgänge

Laut Bebauungsplan war eine Verengung der Wilsdruffer Straße an dieser Stelle vorgesehen. Die neue Baumasse rückt nun entschieden in den Straßenraum der Ost-Westmagistrale hinein. Damit Fußgänger vom Postplatz zum Bürgersteig auf die Wilsdruffer Staße gelangen können, sind zwei große Durchgänge und ein Arkadengang direkt an der Straße entstanden. Der große portalartige Durchgang vom Postplatz in den Hofbereich und weiter Richtung Kulturpalast erstreckt sich über zwei Etagen und zwei Fensterachsen.

Auch der Arkadengang hält sich in seiner ästhetischen Form an ein geometrisch viereckiges Raster. Das streng rechtwinklige Gebäude bildet
einen trotzigen Kontrapunkt zu der geschwungenen Spitze des Büroriegels von Heinz Tesar.


Modell: TLG Immobilien
Der Wilsdruffer Kubus besteht aus einem Hauptgebäude und einem Riegel für Läden und Gastronomie.

Neben dem Wilsdruffer Kubus entstand - entgegen der ursprünglichen Planung ein niedrigerer, zweigeschossiger Baukörper. Die Fassadenverkleidung ist letztendlich in einem schwarzen Material ausgeführt worden. Ausbau und Inneneinrichtung stammen von Trux-Architektuen.

Bilder auf: www.max-dresden.de/max_altstadt,bilder


Abendliche Wirkung des Gebäudes vom Zwingergraben aus gesehen. Foto: Dez. 08

SAP Systems zieht als Hauptmieter ein.

Europas größter Softwarehersteller SAP ist mit einem Sitz seiner Tochterfirma SAP Systems Integration AG in das Haus am Postplatz eingezogen. Im Wilsdruffer Kubus nutzt das Unternehmen mit seinen über 500 Dresdner Mitarbeitern 7 900 Quadratmeter Bürofläche.

Kommentar von SZ-Redakteur Peter Ufer:
(...) Die schlechte Nachricht kann sein, dass der Neubau den Ansprüchen an diesen Platz nicht genügt. Das Projektbild jedenfalls, das es gibt, ist auf den ersten Blick nicht wirklich überzeugend. Allerdings gewann es den Architektur-wettbewerb. Doch der Bau gibt dringend Anlass, über die Gestaltung des Postplatzes nachzudenken, so wie es Kabarettist Olaf Böhme mit seiner Idee des Kaffeekannenhauses tut oder so wie Kabarettist Uwe Steimle den Abriss infrage stellt. Einen zweiten Wiener Platz mit unpersönlichen Fassaden aus Glas braucht Dresden nicht, sondern eine die Identität der Stadt hervorhebende moderne Architektur. Hier wäre die Chance. Sonst könnte man den Fresswürfel auch einfach renovieren lassen.
 

Quellen

Akademie der Künste (AdK), Berlin, Baukunstarchiv, Charlottenburg, Spandauer Damm 19.
Joachim-Schürmann-Archiv, Werkverzeichnis: WV 56 (Planung zum Postplatz Dresden)

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Freianlagenplanung 1999, Prof. Schürmann und Partner, Köln (farbig markiert: Wilsdruffer Kubus und angrenzende Bäume)

Bebauungsplan Postplatz (hellblau: Gebäudeteile des "Wilsdruffer Kubus" - dunkelblau: Bestand) / Vergrößerung


Fertig gestelltes Gebäude - Dez. 2008


Schürmannplan 1995 mit dem Baufeld MK 10 (Wilsdruffer Kubus), Vergrößerung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Die endgültige Farbe des kleinen Anbaus ist schwarz. Foto: Dez. 2008,


zum Vergleich: Vorgängergebäude Gaststättenkomplex
"Am Zwinger"
(im Volksmund abwertend "Freßwürfel" genannt")



Fotonachweis: Fotothek SLUB - 1967

Baujahr: 1965 - 67
Architekten: Gerhard Müller, Günther Gruner
Innengest.: M. Gersdorf
3-geschossiger Baukörper mit vorgehängter Stahl-Aluminium-Glasfassade
Abriss: nördliche Hälfte 1998, südlicher Teil 2007


Intimer Stadtraum: Öffentliches Café "espresso" mit Außenplätzen 1967
Fotonachweis: Fotothek SLUB


Die HO-Gaststätte am Zwinger war das größte gastronomische Objekt der gesamten DDR. Der Kubus hatte einen Grundriss von 54 x 42 m und lediglich eine Traufhöhe von 16 m um den Blick auf den Zwinger nicht zu verstellen.
Die Fassade bestand aus einer vorgehängten Stahl-Aluminium-Glas-Konstruktion mit Brüstungsfeldern aus rot gefärbtem Glas. Das dritte Stockwerk war als Terrassengeschoss ausgebildet, bei der die Trägerkonstruktion hier als Pergola fungierte.
Das Selbstbedienungsrestaurant zeichnete sich in seiner Modernität u.a. mit einem Lochkarten- Bezahlsystem nach schwedischen Vorbild aus. Im 1. Obergeschoss mit einer festlichen Raumhöhe war ein etwas vornehmeres Tanzcafe untergebrachte. Darüber hinaus gab es eine Grillbar, die Mokkastube "espresso" sowie den rustikalen Radeberger Bierkeller.


Großzügige Saalhöhe: Tanzcafe im 1. OG 1968 - Fotonachweis: Fotothek SLUB

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Was auch denkbar gewesen wäre:


Concorde-Hotel in der Nähe des Berliner Kurfürstendamms von Jan Kleihues (Kleihues + Kleihues), Neubau 2005- 06
Foto: Kantschew - April 07

Für Dresden ist nicht die Höhe dieses Metropolen- hochhauses interessant, sondern die interessante Staffelung der Geschosse und die raffinierten Rundungen, welche dem Gebäude Eleganz und ebenso Dynamik verleihen. Zudem sucht das Haus in Form und Detail Referenzen an lokal-traditionelle Berliner Architekturen, etwa in der Verwendung des historisch besetzten Materials Muschelkalk, oder in der Nähe zur Formensprache Emil Fahrenkamps Shell-Hauses.

Auch in Dresden gäbe es aufschlussreiche Architekturen bzw. Entwürfe, die man für so einen prominenten Standort wie diesen zwischen Zwinger und Beginn der Wilsdruffer Straße hätte also Vorbild heranziehen können. Der Dresdner Stadtbaudirektor Hans Poelzig legte am Ende seiner Dresdner Zeit einen ebenso großstädtischen Hotel- und Geschäftshausentwurf für den Platz südlich des Dresdner Hauptbahnhofes vor, der leider nicht realisiert werden konnte. Aber dieser Entwurf - ca. 1921 zeigt bereits die moderne und dennoch auf Dresden bezogene Architektursprache der geschwungenen, sanft abgebogenen Eckrundungen und die dynamische Staffelung der Etagen. Vielleicht sollte man sich in Dresden auch an diese Traditionen besinnen, anstatt hart-aggressive Scharfkantigkeit und betont maskuline rechte Winkel direkt gegenüber dem schwingenden Zwinger zu setzen. Auch an die organische Architektur Hans Scharouns in Löbau von 1929 könnte man anknüpfen.

Dresden kann mehr!
Die Moderne hat durchaus auch andere Traditionen jenseits von Kisten und Kuben, deren leere Lochfassaden heute all zu oft altmodisch, rückständig und uninspiriert daher kommen.

   
 


Hans Poelzig: unausgeführter Hochhaus-Entwurf für ein Hotel- und Geschäftshaus hinter dem Hauptbahnhof am heutigen Friedrich- Listplatz, Ansicht südliche Rückseite, ohne Jahr - vermutlich 1921. Bildquelle: Architekturmuseum der TU Berlin in der Universitätsbibliothek

Dresdner Moderne

Dresdner Treppenstufen im Landhaus
Welch rasante Kurven: swingend und cool - so kann man den Barock heute auch sehen. Treppenstufen im Dresdner Landhaus. Nähmen zeitgenössische Gebäude solch eine dynamische Bewegung an ihren Gebäudeecken auf, die Dresdner wären begeistert. Eleganz, Maß und Schönheit - das könnten Themen einer spezifischen DRESDNER MODERNE sein. Organische Formen statt viereckige Langeweile!
Foto: 2007 Thomas Kantschew