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Beschreibung des Gebäudes
Das Gebäude von Paulick ist geschickt in die Gründerzeitbebauung
eingebettet (gewesen). Ein 6-stöckiger Nordflügel mit schrägen Walmdach
und Dachgauben vermittelte zur benachbarten und gegenüberliegenden
Architektur am Beginn der Königsbrücker Straße. Ein niedriger 5 stöckiger
Flügel wurde westwärts, eine Symmetrie andeutend, angebaut. Durch
diese Lösung entstand eine optisch markante Straßenecke, aus der sich
der 40 Meter hohe Turm heraushob. Die Proportionen sind maßvoll. Das
Turmgebäude respektiert die Stadtsilhouette und besitzt doch einen
klaren, eigenen Ausdruck mit einer unverwechselbaren Vertikale.
Der Drang in Dresden zur Vertikale ist übrigens, abgesehen von Rathaus-
und Fernsehturm, Ernemanwerke, SZ-Hochhaus und Worldtrade Center eher
bescheiden zu nennen.
Der klar herausrückende Büroturm hat 10 Vollgeschosse, davon 8 unterhalb
der Traufkante. Darüber werden 2 und noch ein halbes Geschoss zurückgesetzt.
Die Baukörper sind durch Gesimse klar voneinander getrennt. Der Grundriss
des Turmhauses ist rechteckig mit 7 und 4 Fensterachsen, wobei die
Fensterzonen durch erkerartige Auskragungen hervorrücken. Dadurch
entsteht eine reizvolle zackenartige Gesimslinie über dem 8 Stockwerk.
Das Treppenhaus wurde in die Nordwestecke gelegt, durch breite Glasfenster
gelangte jedoch viel Tageslicht ins Innere.
Dresden wird Großstadt
Das Gebäude befindet sich an einer städtebaulichen Bruchkante
- an der Schnittstelle zwischen alter barocker Königsstadt und Stadterweiterung
der Antonstadt. Gerade auch an dieser Ecke prallen städtebauliche
Grundsätze aufeinander. Die freistehenden kleinen Biedermeierhäuschen,
inmitten großer Gartengrundstücke, scheinen dem Rousseau'schen Motto
"Zurück zur Natur" zu folgen, während das Hochhaus "Viva la cité"
ruft - Es lebe die Stadt! Der neue Bau kündete 1930 mit seiner dominierenden,
himmelgreifenden Höhe und der vibrierenden Kreuzung zu seinen Füßen,
dem Verkehrsknotenpunkt der Neustadt voller Pferdedroschken, Automobile
und Trams, von einer neuen großstädtischen Dynamik, von rauschender
Energie und elektrisierenden Tempo.
Tilo Richter, Industriearchitektur in Dresden
"Zu den Inkunabeln der Moderne zählen die Hochhäuser der Metropolen.
Die regelrechte Invasion von Hochhausbauten in Deutschland, wenn auch
überwiegend nur in phantastischen Planungen, war ein nordamerikanischer
Import, speziell aus Chicago und New York. Dort baute man schon weit
vor der Jahrhundertwende die das Bild der Großstädte wesentlich prägenden
Wolkenkratzer; um 1920 waren sie bereits Normalität geworden. Deutschland
blieb anfangs sehr zurückhaltend, auch diverse Bauordnungen verhinderten
den breiten Einstieg in den Hochhausbau. Die Verfechter des vielgeschossigen
Geschäfts- oder Wohnhaus produzierten eine unüberschaubare Menge an
Theorien, Manifesten und natürlich zeichnerischen Entwürfen. Vor allem
die schier zahllosen Architektur-Konkurrenzen nach 1920 zeigen ein
breit gefächertes Spektrum monumentaler Büro-, Bank- und Handelshäuser
und zugleich den heftigen Widerstreit sich gegenüberstehender Lager.
Auch für Dresden gab es mehrere Hochhausprojekte, allein die Bautätigkeit
der Sächsischen Staatsbank am Neustädter Albertplatz ging über die
Entwürfe hinaus. Hermann Paulick konstruierte 1929 ein wenig spektakuläres
Geschäftshaus auf fast quadratischem Grundriss für die Bank. Die Fassaden
des elfgeschossigen Turmhauses sind glatt verputzt und nach drei Seiten
sehr regelmäßig durchfenstert. Das Zurückstufen der oberen beiden
Geschosse und das erkerartige Hervorkragen der sieben darunterliegenden
Geschosse gaben dem Gebäude etwas Unentschlossenes. Auch der sechsgeschossige
Anbau an der Antonstraße beeinträchtigt die sonst zeichenhafte Wirkung
solcher Bauten. Trotzdem dominiert das Hochhaus den Albertplatz. Eine
gültige Einschätzung, stellvertretend für viele Bauten dieser Jahre,
lautet: "Der revolutionierende Architekturwandel der Nachkriegszeit
spiegelte sich im Dresdner Baugeschehen nur leise, gebrochen. Kühnheiten
gediehen nicht in der Dresdner Luft, sie wirkte eher konservierend,
meinte man schon damals."
(Theuerkorn, Rita: Schritte der Stadtplanung nach 1900. In "Dresdner
Hefte 27" (1/91), Dresden 1991, S49.
Gropius, Walter: Die Entwicklung moderner Industriebauten. In: Jahrbuch
des Deutschen Werkbundes 1913, Jena 1913, S. 20)
Stadtbaurat Paul Wolf
Der von 1922 bis 1945 wirkende Stadtbaurat Paul Wolf, gebürtiger Schwabe,
unterstützte die sachlich- moderne Architektur. Unter seiner Ägide
war es möglich, dass sich Architekten wie Paulick durchsetzen konnten.
Er selbst baute u.a. das an einen Ozeandampfer erinnernde, in rote
Ziegel gekleidete Kraftwerk Mitte und den Straßenbahnhof in der Friedrichstadt.
Wolf war jedoch nicht nur Förderer der Moderne in Dresden, sondern
er setzte sich auch mit großen Nachdruck für die Bewahrung barocker
Bausubstanz ein. Er beschäftigte sich ua. mit der Renovierung
der Frauenkirche in den 20er und 30er Jahren
vgl.: Paul Wolf, Die Dresdener Frauenkirche, ihre Entstehung u. ihre
Erneuerung, in: Sächs. Bau- u. Kunstdenkmäler, 1933, 111 ff.;
Wie Hans Erlwein stammte Paul Wolf aus Süddeutschland, doch im Unterschied
zu seinem berühmten Vorgänger ist Wolf heute fast vergessen, obwohl
er in seiner langen Amtszeit das Stadtbild nachhaltig prägte. Auch
wenn viele Bauten den Kriegszerstörungen oder späteren Abrissen zum
Opfer gefallen sind, so finden sich doch heute noch deutliche Spuren
von Wolfs Wirken in Dresden. Dazu zählen die Volksschule Reick (heute
J.A.-Hülße-Gymnasium) und die anschließende Siedlung in der Hülße-
und Tornaer-Straße, die Waldschule (heute Gehörlosenschule) in der
Fischhausstraße, das Bürgerheim Johannstadt (heute C.-.Zetkin-Seniorenheim)
in der Fetscherstraße, Kinderklinik und Schwesternschule im Krankenhaus
Johannstadt (heute Universitätsklinikum), das Sachsenbad in der Wurzener
Straße, die Wohnanlage in der Wormser- und Spenerstraße, das Kraftwerk
am Wettiner Platz, der Straßenbahnhof Friedrichstadt in der Waltherstraße,
der Urnenhain auf dem Friedhof Tolkewitz oder das Neustädter Königsufer
vom Japanischen Palais bis zum Waldschlösschen.
weitere Informationen
zu Leben und Werk von Paul Wolf , der von 1922 bis 1945 die Geschicke
der städtebaulichen Entwicklung Dresden entscheidend prägte.
Erich Kästner
"Als ich noch ein kleiner Junge war", Zürich
1957
Die Villa am Albertplatz
"Am liebsten hockte ich dann auf der Gartenmauer und schaute
dem Leben und Treiben auf dem Albertplatz zu. Die Straßenbahnen,
die nach der Altstadt, nach dem Weißen Hirsch, nach dem Neustädter
Bahnhof und nach Klotzsche und Hellerau fuhren, hielten dicht vor meinen
Augen, als täten sie's nur mir zuliebe. Hunderte von Menschen
stiegen ein und aus und um, damit ich etwas zu sehen hätte. Lastwagen,
Kutschen, Autos und Fußgänger taten für mich, was
sie konnten. Die zwei Springbrunnen zeigten ihre Wasserkünste.
Die Feuerwehr ratterte, mit ihrem Hornsignal und glockenläutend,
vorbei. Schwitzene Grenardiere kehrten, singend und im Gleichschritt,
von einer Übung in der Kaserne zurück. Eine königliche
Equipage rollte vornehm übers Pflaster. Eisverkäufer in
weißer Uniform verkauften an der Ecke Waffeln für fünf
und für zehn Pfennige. Ein Bierwagen verlor ein Hektoliterfaß,
und die Neugierigen kamen gelaufen. Der Albertplatz war die Bühne.
Ich saß zwischen Jasmin und Bäumen, in der Loge und konnte
mich nicht satt sehen."
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