Kunsthof-Passage
Architekturbezogene Kunst: Phantasie, Originalität und Überraschung

 
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Künstler: Viola Schöpe  (Hof der Fabelwesen)
www.violaschoepe.de
Arend Zwicker (Hof der Metamorphosen)
Annette Paul, Christoph Roßner, André Tempel
                     (Hof der Elemente)
Hof des Lichtes: Sieger eines nationalen Wettbewerbes
Architekten: Görlitzer Str. 23: Architekturbüro Knerer und Lang Görlitzer Str. 25: Architekturbüro Heike Böttcher (1999)
www.heike-boettcher-architektur.de

Bauzeit: 1997 - 2001 (verschiedene Etappen)
Bauherr: Ginkgo-Projektentwicklung - Website
Adresse: Alaunstraße 70 und Görlitzer Straße 23 - 25

Webseiten:

www.kunsthof-dresden.de


www.kunsthofpassage.de

Mehrere Höfe miteinander verbunden

Es begann 1997 mit der Sanierung des denkmalgeschützten Hauses Alaunstraße 70. Die Dresdner Künstlerin Viola Schöpe gestaltete auf ganz eigene Weise die Wände eines Hinterhofes, in dem zu DDR-Zeiten ein Brennstoffhandel untergebracht war.
Ihre in den Putz eingelassenen Mosaik-Gebilde erinnern
an die Kunstwerke Gaudi's in Barcelona, an die Wohnhausprojekte Friedrich Hundertwassers oder an die voluminösen Plastiken von Niki de Saint Phalles. Die Revitalisierung des Hofes wurde ergänzt durch ein spanisches Restaurant "El Perro Borracho" und die Tanzschule "Espiral".

Das belebende zeitgenössische Schmücken fand rasch so viel Anklang, dass man bald auf eine Erweiterung des eigenwilligen Konzeptes drang. Dazu kreierte die GINKGO-Projektentwicklung, spezialisiert auf Altbausanierung und Denkmalpflege mit einer bewussten Integration von Kunst in den Lebensalltag, weitere Ideen. Es folgte die Sanierung des Ensembles Görlitzer Straße 23 und 25, erst mit den Höfen des Lichtes, der Elemente, der Metamorphosen und schließlich mit dem Hof der Tiere.
Die drei Hausparzellen durchzieht ein Passagensystem voller Verzauberung, Individualität und typisch Dresdnerischer Spielfreude. Diese halböffentliche Passage erschließt dem Flaneur, wie dem Anwohner auf kreative Weise die Welt der Innenhöfe in der "bunten Republik Neustadt".

Kunst mit dem Bau

Außer der Aufstockung eines Hinterhauses mit verschiebbaren Lichtschutzelementen gibt es architektonisch im konstruktiven Sinne keinen direkten Neubau in der Kunsthofpassage. Dennoch sind die originellen zeitgenössischen Dekorationen eine außerordentliche Hervorhebung im "Neuen Dresden" wert, denn Kunst am Bau, also architekturbezogene Kunst hat hier - selten genug im Bauen um die Jahrhundertwende 2000 - einen explizit weiten Spielraum erhalten. So lehnen z.B. "sprachlos und kalt wie archaische Wächter" sechs schmale Stahl-Schilde von Arend Zwicker an den Fassaden im Hof der Metamorphosen. Durch die einwirkende Witterung verändern sie ihre Oberfläche und Farbe zu Rost. "Fremd, lässig und rätselhaft" stünden sie dort - so der Künstler. Nachts werden die Symmetrieachsen durch Lichtlinien vom Fußpunkt bis in die Spitze markiert. Details auf: Lichtkunst Zwicker www.lichtkunst.org. An den Außenwänden kann der aufmerksame Betrachter hier zudem die langsamen und sukzessiven Veränderungen 24 verschiedener Papiere, die in kleinen Metallrahmen hängen, beobachten.

In einem erst 2001 entstandenen "Hof der Tiere" dominieren die Naturmaterialien Stein, Holz und pflanzliches Flechtwerk. Auf die reiche Tradition Dresdens in der Steinmetzkunst zurückgreifend wurde hier eine afrikanische anmutende Atmosphäre geschaffen. An einer grasgrünen Hauswand reckt sich eine baumhohe Giraffe, Affen schwingen an der Fassade entlang und lustige Hausschweine tummeln sich am Boden - alles gehauen aus dem weichen Elbsandstein.
Die neuen Balkone an der Rückseite des Gründerzeithauses bestehen aus Holzstämmen als Stützen und baumhausartigen Weidenflechtwerk.
Auch die Freiflächengestaltung in diesem Hof ist etwas Besonderes: ein Brunnen, in dessen Mitte ein großer Granit-Büffel ruht, umgeben von allerlei Getier und Grün.

Diese phantasievolle Dekoration hat bisher noch keine Kritiker moderner Architektur gefunden. Aber vielleicht ist man bei der Sanierung in einem alternativen Szenebezirk in der Verurteilung alles schmückenden, lebensfrohen Dekors weniger unnachgiebig, als bei Neubauten im Zentrum.

Wasser

Mehrere Brunnen beleben mit Wasserspielen die Höfe. Aber nicht nur das: diese Brunnen werden wie z.B. die Toilettenspülung in den Wohnungen nicht mit Trinkwasser betrieben, sondern mit aufgefangenem Regenwasser, welches von den Dächern in Zisternen geleitet wird und als Brauchwasser Wiederverendung findet. Auch das Oberflächenwasser der Höfe wird in den Brauchwasserkreislauf gespeist.


Genius loci

Der besondere schöpferisch kreative Geist Dresdens lebt in der Kunsthofpassage fort. Hier findet man sie: eine überquellende Fantasie, eine ganz eigene Originalität, Poesie, eine effektvolle Inszenierungskunst der Überraschung, die der des Barockzeitalters alle Ehre macht, feine Ironie und subtiler Witz und eine vollendete künstlerische Meisterschaft im Detail - geschaffen von Dresdner Künstlern.

Von Arend Zwicker findet sich auf der Alaunstraße 28 die Licht-installation an einer Hausfassade "Zeichen" von 2001: Es wurden "horizontale, transluzente Kunststofftafeln montiert. Sie führen vierzeilig lineare Lichtinformationen in sich, die nach dem Morsealphabet entschlüsselbar sind und sich einem Text zur Problematik der Definition von Kunst widmen." (Zwicker)

Es ist zu wünschen, dass diese lebendige Ausgestaltung auch im Zentrum Dresdens (Altstadt) ihre Fortsetzung findet. Nennenswerte bildkünstlerische Architektur hat sich leider dort bis heute kaum durchsetzen können. Einzig wirklich originelle Wandgestaltung bleibt am Neumarkt Heike Böttchers tanzende Palucca im Kanzleigässchen (Swissôtel) von 2011. Dort sind fünf durch Gummi-Matrizen in den Beton gegossene "Fotos" der berühmten Palucca von 1930 an der Fassade zu sehen. Toll gemacht!


Bewegung in Beton gegossen: Visualisierung heike-boettcher-architektur.de

 

Literatur:
Die Kunsthof-Passage Dresden, Broschüre von Tankred Lenz; Eckhard Richter, Holger Stein u.a., Dresden 2001

Website des Ingenieurbüro Schimmel zum Kunsthof:
http://www.ib-schimmel.de/NewFiles/kunsthof-s.html

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In die Wand eingelassene Keramikmosaiken von Viola Schöpe im Hof der Fabelwesen (Alaunstraße 70)
Hof der Metamorphosen mit schildähnlichen Stahlstelen - gestaltet von Arend Zwicker
Neubau-Aufstockung mit verschiebbarem Sonnenschutz
Regenwassertheater im Hof der Elemente

Goldene Luftzeichen im Hof der Elemente

Hof der Tiere: Giraffe und Schweine alle Fotos: Thomas Kantschew (10/07)