Hotel "Dresdner Hof" (jetzt Hilton)
DDR- Postmoderne und Wiederaufbau des historischen Dresdner Stadtkerns

 
Architekt: Walter Lewin (Berlin-West) mit der schwedischen Firma Armerad Betong Vägförbättringer (ABV) Stockholm
unter maßgeblicher Mitwirkung des Bundes der
Architekten der DDR und des VEB (B)
Gesellschaftsbau Dresden (Werner Bauer, Manfred Zumpe)
Bauzeit:    1986-90
Adresse:  An der Frauenkirche 5


"Das Hotel bildet die nördliche Begrenzung des Neumarktes. Die Schaufassade erhielt eine Akzentuierung durch eine gewölbte Glasüberdachung. Gleichmäßig angeordnete Fenster und ein dreieckiger Giebel betonen den Eingangsbereich. Im EG befinden sich Ladenpassagen, deren Schaufenster mit Rundbögen abgeschlossen sind.
Die darüberliegende Fassade ist durch gleichartige Fenster gegliedert, womit eine ruhige Gesamtwirkung erzielt wird.
Mit den für Dresden typischen Dachfenstern (Gauben) der einheitlichen Geschoßhöhe, dem roten Mansarddach, den Natursteinverkleidungen sowie den hellen bis ockerfarbenen Tönen knüft das Hotel an alte Dresdner Architekturtradition an. Trotz der modernen Gestaltungsweise zeigt das Gebäude ein gewisses Feingefühl für die historischen Strukturen des Neumarktes. Es ist ein Beispiel für die Architektur der letzten Jahre der DDR, die sich an der Postmoderne des Westens orientierte
." Architekturführer Dresden 1997



Beton

Der gesamte Komplex des ehemalig vielparzelligen Blocks wurde in seiner Grundkonstruktion in Beton (und Stahl) gefertigt und anschließend verputzt. Die Sockelzone des Haupteingangs erhielt eine Sandsteinverkleidung.


"Kritische Rekonstruktion" - Einfluß der Stadtreparatur-Konzepte aus Berlin-West

Der Westberliner Architekt Walter Lewin stand sichtbar unter dem Einfluß des städtebaulichen Leitbildes einer "Kritischen Rekonstruktion". Dieser Begriff bildete den Mittelpunkt der 1987 stattfindenden Internationalen Bauausstellung IBA, welche
anläßlich der 750-Jahrfeier im Westeil Berlins stattfand und die das Ziel verfolgte, die Innenstadt als Wohnort wiederzugewinnen. Unter der Leitung Prof. Josef Paul Kleihues wurde der historische Stadtgrundriß, der in der Nachkriegszeit zugunsten einer autogerechten Stadt vernachlässigt und zerklüftet worden war, rehabilitiert und reaktiviert. "Kritische Rekonstruktion" bedeutete kritische Annäherung an und Auseinandersetzung mit der historischen Stadt, Stadtreparatur mit zeitgemäßen Mitteln und Strukturverbesserung. Eine erste Grundlage bildete damals die 1983 vom Westberliner Senat beschlossenen "Zwölf Grundsätze der behutsamen Stadterneuerung".

Besinnung auf den innersten Stadt-Kern
Selbstverständlich fanden Ideen der Aufbaukonzepte des zeitgleich in Ostberlin stattfindenden historisierenden Aufbaus des Nikolaiviertels als der "Wiege Berlin" in Dresden ebenso Anklang. Als Parallele diente auch der Aufbau des Ostberliner Gendarmenmarktes (damals Platz der Akademie) mit einem ebensolchen Devisenhotel (jetzt Hilton) und den aus seriellen Fertigteilen zusammengesetzten historisierenden Neubauten an der West- und Ostseite.
Das Erinnern der eigenen urbanen Herkunft stand jedoch auch im Zeichen gesamteuropäischer Ideen. Das
Motto des Europäischen Denkmalschutzjahres 1975 lautete z.B. :
"Eine Zukunft für unsere Vergangenheit". Unter dieser Devise stand dann z.B. die Rekonstruktion der Römerberg-Ostzeile in Frankfurt Main von Ernst Schirmacher, 1984-1986.


"Dresdner Hof" - als exklusives Devisenhotel für Westtouristen

In einer längeren Planungsphase mit dem VEB-Gesellschaftsbau wurde zugunsten populärer Zeitgeist-strömungen der Postmoderne eine bereits erwogene, rigorosere Anlehnung an den historischen Vorkriegs-zustand fallengelassen. Hier eine Entwurfszeichnung von 1987 in der DNN: (Vergrößerung)



Stattdessen verwendete man nicht die dresdentypischen hochstehenden Fensterformate, sondern unspezfisch quadratische. Seltsame spitzzulaufende dresdenuntypische Erker ersetzten die traditionellen kastenförmigen Dresdner Erker der Renaissance und Barockzeit.
Lobenswert kann man die optische Unterteilung der gekrümmten Hauptfassade an der Töpferstraße in mehrere, gliedernde Abschnitte bezeichnen, die eine Erinnerung an die ehemalige Kleinteiligkeit des Blocks in mehr als 20 unterschiedliche Parzellen vermitteln sollen.

Der Anbau in WBS 70

Ein Anbau in seriell gefertigter Plattenbauweise (ehemals für die Angestellten des Hotels) ergänzt das Haupthaus und stellt die kleine Münzgasse wieder her. Er wurde vom VEB Gesellschaftsbau Dresden unter Leitung von Werner Bauer errichtet. Der Plattenbau erhielt ein Mischung aus Satteldach (Dachziegeln und -gaupen) und leicht geneigtem Flachdach, welches erst von der Aussichtsplattform der Frauenkirche erkennbar ist. Im weißen Holz gerahmte gläserne Ecklösungen sowie eine Betonung der Mittelachse durch Symmetrie und schräg gestellte Erker lockern die Fassade auf (siehe Foto unten). Eine Sanierung 2005 überdeckte die industrielle Bauweise durch genormte Fertigteile und sichtbare Fugen mit einer neuen Wärmedämm- und einer farbigen Putzschicht. Zusätzlich wurde eine neue Aussichtsterrasse am Café mit viel Glas als neue Brüstung angebracht.


Postmoderne in der DDR?

Die "Postmoderne" wird z.Z. aus der Westperspektive definiert: "Gegenbewegung zur Moderne, die sich nicht durch strenge Funktionalität, sondern durch "Fiktion" und "Erzählung" auszeichnet und diese aus einem historisierenden Eklektizismus gewinnt. Statt dogmatischer Strenge populäre Bildhaftigkeit, Stilpluralismus, bisweilen Ironie." (Zitat: Berlin Architektur. Architekturführer 2003)

Die postmodernen Strömungen in der DDR sind bisher so gut wie noch nicht erforscht. Zu sehr ist die bisherige Wahrnehmung der abklingenden Postmoderne auf die Rezeption der Bauwerke in Westdeutschland und Westeuropa/USA konzentriert. Postmodernes Bauen hingegen in Ostdeutschland und Osteuropa ist im Westen kaum bekannt. Doch das Bauen der 80er Jahre war im Osten anders als im Westen. Die
spezifischen Erscheinungen der "reformierten Platte" (in Dresden am ehem. "Platz der Einheit", hinterm Rundkino oder am Böhnisch Platz), die auf besondere Art und Weise Geschichte fortschreibende Architektur (wie z.B. das Hotel "Bellevue" am Blockhaus oder der Gästehausanbau im Schloßpark Ekberg) stehen stellvertretend für eine andere Art der konstruktiven Auseinandersetzung mit den Fehlern und Irrwegen der Nachkriegsmoderne.

DDR:    Neo - historisch

Der junge Architekturhistoriker Florian Urban brachte 2007 das Buch heraus: Berlin / DDR, neohistorisch. Geschichte aus Fertigteilen. Diss., Berlin 2007. Er untersucht darin die 1980er Jahre in Ostberlin mit ihren repräsentativen Bauten im Nikolaiviertel, am Platz der Akademie (Gendarmenmarkt) und in der Friedrichstraße, die sich stark an historische Bauformen anlehnten, oftmals jedoch Fertigbauteile aus Beton verwendeten. Darüber hinaus wird die Hinwendung zum "kulturellen Erbe" mit den Sanierungen vernachlässigter Altstadtquartier (z.B. Arnimplatz und Sophienstraße in Berlin Mitte/ Prenzl. Berg) beschrieben. Link zum Buch bei Weltbild.de


Die "Postmoderne" als eine A
rchitekturperiode, die sich bereits in den späten 70ern voller Pathos ihren Namen gab, der übersetzt "NACH der Moderne" heißt, war - wie man weiß, nur eine relativ kurze Periode. Mittlerweile hat die sogenannte "3. Moderne" jene westeuropäisch-postmodenen, nicht so ernst gemeinten Spielereien als "Kitsch" an die Wand gedrückt und will sich wieder den Urintentionen der "klassischen Moderne" zuwenden, die jedoch für viele deutsche Architekten erst mit den späten 20ern beginnt, ohne die großartigen Intentionen der Vorläufergeneration um Alfred Messel oder den frühen Poelzig bzw. Peter Behrens als neue Impulse mit aufzunehmen. Eine neue Form von Traditionalismus definiert sich aus einer reflexiven Moderne der Bauhaus-Historie.

Weiterführende Informationen:
www.neumarkt-dresden.de/hilton.html

www.net-lexikon.de/Postmoderne-Architektur.html

www.dresdner-debatte.de (pdf)
Infos zur Planungsgeschichte des Neumarktes


Hotelneubau - noch ohne das QF an der Töpferstraße, Foto TK 2004

postmoderne Fassade 2004
Platten-Anbau, Foto: Feb. 2005
Gesamtperspektive von der FK, Foto: Feb. 2005 TK, groß


Hotel 1989, Foto: SLUB
eine andere Aufnahme (farbig), ca. 1988
Restaurant "Grüner Baum" im 1. OG - 1990
Hotelrestaurant mit künstlerischer Wandgestaltung, später abgenommen. Foto: Deutsche Fotothek Dresden 1990



Anbau in seriell gefertigter Plattenbauweise - für die Angestellten des Hotels
Der Hotelanbau vom VEB Gesellschaftsbau Dresden vor der Sanierung des Plattenbaus 2005, die die einzelnen Platten mit einer Wärmedämmschicht und Putz überdeckte.

 

 

 


Dachgaube am Hotel Hilton in Dresden / Töpferstraße, Foto: TK 2010

Internationales Entwurfsseminar Neumarkt 1981

Grundlage für die Aufbauplanungen des Neumarktes zu DDR-Zeiten war ein umfangreich vorbereitetes Internationales Entwurfsseminar mit zehn Teilnehmer-Kollektiven aus der UdSSR, CSSR, Polen, Ungarn und der DDR im Sommer 1981. Dieses Seminar war ein Variantenabgleich und kein Wettbewerb mit ausgewählten Siegern. Das Ergebnis der 1983 stattfindenden Beratung beinhaltete das sogenannte "Leitbauten"- Prinzip, in denen ausgewählte, besonders wertvolle Bürgerhäuser und Adelspalais rekonstruiert werden sollten, die größere Anzahl der Neubauten jedoch modern /postmodern zu gestalten sei, auf annähernd historischem Grundriss bzw. - Raumstrukturen. Im Punkt 7 des Arbeitsmaterials vom 21.10. 1982 im Büro des Stadtarchitekten hieß es zudem:

"Die Fassadengestaltung für die neuen Gebäude soll dem Charakter unserer Zeit entsprechen und sich harmonisch in die Gesamtkonzeption (...) einordnen."



Literatur:

Werner Wachtel, Rekonstruktionsgebiet Neumarkt in Dresden: 3. Internationales Entwurfsseminar, Dresden 1981, Bund der Architekten der Deutschen Demokratischen Republik, Technische Universität Dresden.

Heinz Michalk: Zur Planungsgeschichte des Dresdner Neumarktes in den Jahren 1970 und 1990, In: Neumarkt-Kurier Heft 3, 2009 (H. Michalk war ehemaliger Stadtarchitekt Dresdens ab 1972).

Torsten Kulke: Wiederaufbauplanungen zum Dresdner Neumarkt und kulturhistorischen Zentrum in den Jahren 1970- 1990. In: Die Dresdner Frauenkirche. Jahrbuch zu ihrer Geschichte und Gegenwart, Band 19, Regensburg 2015.

Text: Thomas Kantschew (2004 + 2010)

 


Vorläufige Orientierung zur baulichen und funktionellen Entwicklung des Neumarktes, Ergebnis der Beratung der "Kollektivleiter" im Oktober 1983 - Vergrößerung


Entwurf für den Neumarkt 1981 Bulgarien,
Vergrößerung (Quelle: W.Wachtel, Rekonstruktionsgebiet Neumarkt)

 
Künstlerischer Ausgestaltung


Im Hotel "Dresdner Hof" (jetzt zur Hilton-Kette gehörend) wurden einige besondere DDR-Kunstwerke integriert. Im 1.OG findet sich z.B. immer noch eine Marmorskulptur vom Dresdner Künstler Peter Makolies. Auf einem Sockel erhebt sich eine langgestreckte Frauenfigur, die lose bedeckt mit einem eleganten Tuch ist. Das Gesicht verhüllt ihr langes Haar als rauhe Struktur im reizvollen Kontrast zum glatt geschliffenen Marmor des makellosen jungen Frauenkörpers.

Das Büro für architekturbezogene Kunst Dresden gab dem Künstler Friedrich Kracht von der Produktions-genossenschaft Kunst am Bau den Auftrag, für die Stirnwand des Hotel-Schwimmbades eine Wandfläche zu gestalten. 1989 fertigte Kracht ein 230 x 330 cm Keramikkunstwerk in starker Farbigkeit und abstrakter Gestaltung. Diese Wandgestaltung wurde nach dem Jahr 2000 entfernt.
 

Peter Makolies Frauenfigur, Vergrößerung, Foto: Thomas Kantschew 2023