Hochhaus- Ideenwettbewerb für den "Dresdner Anzeiger" am Johannes- Ring 1925
(jetzt Ecke Dr. Külz-Ring - Marienstraße, Dippoldiswalder Platz)

 
Laufzeit:   1.7.1925 - 31.12.1925
Auslober: Dr. Güntzsche Stiftung
(Eigentümerin des Dresdner Anzeigers)
Teilnehmerkreis: Deutsche Architekten aus dem Gebiet des damaligen Deutschen Reiches und in den deutschen Sprachgebieten außerhalb des Deutschen Reiches
Einsendungen: 215
Jury: Vorsitzender: Bürgermeister Blüher
Fachrichter: Stadtbaurat Paul Wolf, Paul Bonatz, Cornelius Gurlitt, Wilhelm Kreis, Hans Poelzig, Georg Wrba (!),
Direktor der Güntzschen Stiftung Kuhfal, Chefredakteur Dresdner Anzeiger Wilhelm Fröhlich
Programm: Geschäftshaus Dresdner Anzeiger und Bürohaus mit Läden, sechs Dienst- bzw. Beamtenwohnungen, Druckerei, Turmausbildung freigestellt. Wünschenswert: Künstlerateliers. Repräsentative Hallen für den öffentlichen Besucherverkehr. Fahrstühle, Telefonzentralen etc.
Durch eine Überbrückung der verlängerten Wallstraße sollte das Anzeiger-Gebäude mit dem Bürohaus verbunden werden.
Die Büros des Dresdner Anzeigers befanden sich Breite Straße 7 und 9, also in ummittelbarer Nähe des Wettbewerbs-Standorts.
Projekt: nicht realisiert

 

Im ganzen 20.Jahrhundert wurde in Dresden über Hochhäuser und Türme diskutiert. Immer ging es dabei auch um die Silhouette. Bereits der Bau des neuen Dresdner Rathausturmes 1905-10 mit 100 Metern sollte sich in die Elbansicht einordnen. Progressive Architekten, wie z.B. Peter Behrens mahnten:
"Auch eine Stadtanlage verlangt nach Körperlichkeit und Silhouette, die nur in der Zufügung von kompakten und vertikalen Massen gefunden werden kann." (Zitat: Werkbund-Jahrbuch 1914).

Die auflagenstarke Zeitung "Dresdner Anzeiger" wollte dann auch mit einem architektonischen Highlight auf ihre gestiegene Bedeutung hinweisen. Zudem stand 1930 das 200.-jährige Jubiläum der ältesten Tageszeitung Sachsen an, die 1730 in Dresden gegründet worden war.

In der Auslobung zum Wettbewerb 1925 war der "Entwurf eines Hochhauses empfohlen worden, um eine visuelle Verbindung zum historischen Stadtkern herzustellen. Der zweite Preis wurde dann aber einem allseitig geschlossenen schlanken Turmbau als Teil einer niedrigeren Baugruppe gegeben. Einer der bemerkenswertesten Entwürfe ist derjenige von Heinrich Tessenows, der einen Ankauf erhielt. Er schuf einen klaren Kubus von 42 x 42 m Grundfläche und 56 m Höhe (etwa 15 Geschosse), dessen Büros um einen zentralen Lichthof organisiert sind, der über einen Oberlichtaufsatz erhellt wird. Tessenow hat sich hier zum ersten Mal mit der formalen Problematik des Flachdach auseinandergesetzt. ...
Der Wettbewerb um ein Verwaltungsgebäude des Dresdner Anzeiger gab Anlaß für besonders heftige Kritik an der "unseligen Hochhausmanie", die eine große Gefahr für das Dresdner Stadtbild bedeute. 90 Prozent der Entwürfe, so schrieb ein Kritiker, seien von einer "unheilvollen Größenwahnstimmung" getragen, die in umgekehrtem Verhältnis zur Wirtschaftslage stehe. Gerade deshalb sei das Hochhaus eben nicht "Ausdruck unserer Zeit". Im Gegenteil habe der Dresdner Wettbewerb, ebenso wie der in Köln, eine unbeschreibliche künstlerische Verwirrung von "tragikkomischem Ausmaß" zu Tage gefördert."
(Text aus: Dietrich Neumann, Die Wolkenkratzer kommen! Deutsche Hochhäuser der zwanziger Jahre. Debatten, Projekte, Bauten. Braunschweig 1995)



Blau markiert: das sogen. Koch-Hessische Grundstück am Ring. Unter diesem Grundstück lagen (liegen?) die unterirdischen Kasematten der einstigen Festungsbastion Merkur. An dieser Stelle hatte bereits Stadtbaurat Poelzig 1917 als Pendent zum Neuen Rathaus ein expressionistisches Stadthaus geplant, das nicht realisiert wurde. Von der Masse her wirkte  dieses Gebäudemassiv ebenfalls wie ein solitär auftürmendes Gebirge (Foto Modell).
Nach 1933 plante Paul Wolf in der NS-Zeit weiter an dieser Stelle ein zentrales öffentliches Gebäude. Das Grundstück war eines der wenigen noch unbebauten Grundstücke in der dicht bebauten Dresdner Innenstadt und noch dazu in exquisit prominenter Lage direkt am Johannesring. Es blieb bis heute unbebaut. (Ausschnitt Stadtplan Dresden 1917)

Durch eine baupolizeiliche Ausnahmebewilligung hinsichtlich der Geschoßzahl konnten in der Gestaltung und Höhe die ansonsten strengen allgemeinen Vorschriften der Stadt Dresden außer Kraft gesetzt werden. Die architektonische Gestaltung der Gebäudegruppe sowie die Verwendung der Baustoffe war den Teilnehmern freigestellt. Es war lediglich gefordert, daß die Architektur "sich entsprechend der bedeutsamen Lage im Bilde der inneren Stadt, sowie der näheren Umgebung (wie dem z.B. unter Denkmalschutz stehenden "Ministerhotel" und dem Gesamtbild der Ringstraße) so einzufügen hat, daß sie hier eine charakteristische Steigerung dieses städtebaulichen hervorragenden Punktes der Stadt darstellt, aber auch von weiterer Entfernung, insbesondere von den die Stadt Dresden umgebenden Höhenzügen aus gesehen, das wertvolle charakteristische Gesamtbild der Altstadt nicht beeinträchtige." Dazu wurde extra ein Modell der Innenstadt im Maßstab von 1: 1000 verwendet, indem die Beiträge eingefügt wurden. Das Urteilsspruch des Preisgerichtets war einstimmig.

Situation in der Gegenwart 2007 vom 11-stöckigen Büro-Hochhaus gegenüber des Grundstücks
(heller markiert in etwa: das Koch-Hessische Grundstück)

Blick auf das ehemalige Koch-Hessische  Grundstück am Dippoldiswalder Platz 2007
Foto: TK

 

Im Folgenden werden die Preisträger des Wettbewerbs vorgestellt. Quelle ist: Deutsche Bauzeitung 1926, Nr. 44 und 52: "Ideen-Wettbewerb zu einem Geschäftshaus für den Dresdner Anzeiger, verbunden mit einem Bürohaus" von Stadtbaurat Paul Wolf

Kein I. Preis

II. Preis - 9000 M
Architekt Gerd Offenberg (Stuttgart)
Mitarbeit: Albert Kluftinger, Diez Brandi

   


Lageplan: Offenberg

Urteil des Preisgerichts in Deutsche Bauzeitung Nr. 44 - 1926
" Der Entwurf zeigt in der Grundrißgestaltung im allgemeinen eine klare und zweckmäßige Lösung des Bauprogramms. Der seitliche Abstand von der östlichen Nachbargrenze entspricht nicht den baupolizeilichen Bestimmungen.
Die Architektur ist streng und sachlich und zeichnet sich durch eine sehr klare und straffe Gliederung aus, gesteigert durch das richtige Abwägen der Höhen auf dem ganzen Block. Auch im Stadtbild steht der Turm an dieser Stelle sehr glücklich und ergänzt als Eckbetonung die Umfassung der Altstadt in starker Weise, indem er wegen seiner ganz anderen Bestimmung in bewußten Gegensatz zu den historischen Türmen der Altstadt tritt. Es erscheint indessen notwendig, daß der Turm in seiner Höhe eingeschränkt wird."

 

III. Preis von 7250 M
Arch. Dipl.-Ing. Volkart und Trüdinger (Stuttgart) -


Lageplan: Volkart

 

III. Preis von 7250 M
Architekt Hans Herkommer (Stuttgart)


Lageplan: Herkommer

 

IV. Preis von 5500 M
Willy Schönfeld (Chemnitz)




Lageplan Willy Schönfeld

 

IV. Preis von 5500
Architekt Wagner- Poltrock, Mitarbeiter: Rob. Jüttner (Chemnitz)

Lageplan Wagner- Poltrock + Rob. Jüttner (Chemnitz)

 

 

Prof. Heinrich Tessenow (Dresden) - Ankauf von 2000 M


Urteil des Preisgerichtes 1926:
"Der Entwurf zeigt eine deutliche Zweiteilung in ein kleineres Haus für den Dresdner Anzeiger
und ein stark überragendes Bürohaus an der Platzecke. Die Grundrißlösung des "Dresdner Anzeigers" ist im allgemeinen zweckmäßig. Die wirtschaftliche Ausnützung des Bürohauses dagegen ist in den viergeschossigen Vorhallen und dem Lichthof nicht genügend. Der kubische Baukörper (56 m Höhe) ist für das Stadtbild als Masse zu schwer. Im übrigen erscheinen die künstlerischen Qualitäten des Entwurfes anerkennenswert."

Lageplan und Modell Tessenow
links: die vorhandenen Gebäude (dunkel markiert) sollten für das prestigeträchtige
Neubauvorhaben abgerissen werden.
rechts: Modell 2018/19 von Chiara Arcidiacono u. Letitia Robbiani, ETH Zürich (Seminar von Prof. Martin Boesch)   Foto: T.Kantschew 2023 - Vergrößerung

 

Prof. Adolf Muesmann (Dresden- Blasewitz) - Ankauf von 2000 M


Perspektive vom Friedrichsring (Höhe Schreiber Gasse), Bildmitte: Bismarck-Denkmal


Perspektive vom Dippoldiswalder Platz aus


Lageplan Muesmann (Dresden Blasewitz)

 

Dr.- Ing. Fritz Schröder, unter Mitarbeit von Karl Schröder - (Heidelberg-Neuenheim)
Ankauf von 2000 M


Lageplan Schröder

 


Arch. Stockhausen und Richter (Hamburg)


Lageplan Stockhausen - Richter

 

 

Dipl.- Ing. Jul. Th. Schweighart und Arch. Rich. Haffner (Augsburg) - Ankauf 2000 M

Lageplan Schweighart + Haffner

 

Architekt Schreiter und Schlag und Reg.- Baumeister Döll (Jena) - Ankauf 2000 M


Lageplan Schreiter und Schlag

 


Architekten: Eduard und Otto Fucker und Will Kreß (Frankfurt Main)



Architekt: Hans Richter (Dresden)



Architekt: Leopold Lustig (Dresden)

 


Architekt: Oswin Hempel (Dresden)



Architekt: Baurat Oskar Pusch (Dresden)

 


Architekt: Franz Wirth (Dresden)
Zum Vergleich: Franz Wirth (Dresden), Studie zu einem Hochhaus am Fluss, 1921

 


Architekten: Schilling & Gräbner (Dresden)

 


Architektenbüro Lossow & Kühne (Dresden)



)
Architekt: J.A.Bohlig (Dresden)
 


Weitere Teilnehmer des Wettbewerbes kann man hier: https://digital.zlb.de/ einsehen. Quelle ist Wasmuths Monatshefte für Baukunst und Städtebau. Ausgabe 10.1926, H. 6, ab S.249 - 279.

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Im selben Jahr 1925, als der Wettbewerb für das Hochhaus des "Dresdner Anzeiger" lief, wurde der Vortrag eines der Wettbewerbsteilnehmer, Prof. Adolf Muesmann, in der Zeitung "Der Industriebau" Heft X am 15. Oktober 1925 zum Thema "Das Hochhaus" in der technischen Hochschule Dresden veröffentlicht, in dem der Redner auf die Möglichkeiten bzw. Notwendigkeiten zum Hochhausbau in Deutschland im allgemeinen und in Dresden im besonderen einging.

Auf S. 230 wird z.B. ein Dresdner Stadtplan gezeigt, der einige mögliche Standorte am Ring, bzw. einen direkt am Hauptbahnhof markierte, an denen sich Prof. Muesmann moderate Hochhäuser vorstellen konnte. Dazu wurden von Prof. Muesmann drei Architekturskizzen mit Baumassen-Vorschlägen für den Pirnaischen Platz, den Georgplatz und dem Postplatz vorgestellt. Seine Architektur-Visionen für Dresden als Großstadt positionierten Hochhäuser an den Standorten, die bereits im 18. Jahrhundert städtebaulich exponiert waren: in etwa an ehemaligen Eck-Bastionen und an dem damals als unbefriedigend empfundenen Bahnhofsvorplatz vor dem Hauptbahnhof. Diese Innenstadtrandbereiche sollten den barocken Stadtkern schonen.
Besonders nach Paul Wolf's USA-Reise 1928 verdichteten sich Hochhauspläne.


mögliche Hochhausstandorte in Dresden, Vorschlag von Adolf Muesmann 1925

 


Dresden, Baumassenvorschlag für den Postplatz von Prof. A. Muesmann 1925

Muesmann war 1921 - 1945 Professor für Hochbauten und Entwerfen, Städtebau und Siedlungswesen an der TH Dresden. Hier sein eigenes Wohnhaus von 1928. Foto: TK 2009, Adresse: Erlweinstraße 16


Tatsächlich gebaut wurde dagegen in der Innenstadt bis 1945 lediglich diese
9-geschossige Aufstockung der Girozentrale Sachsen am Maximilianring.
Architekten: Wünsche & Leiterer, Fertigstellung 1931, Foto: Postkarte,
Vergrößerung, andere Ansicht


Liste der historischen Hochhäuser in Deutschland vor dem II. We
ltkrieg: http://de.wikipedia.org/

Auch nach 1945 ging die Planung von Hochhäusern weiter. Weiterhin waren am Ring 6 größere Hochhäuser geplant, siehe Versuchsmodell 1947.

Tatsächlich gebaut wurden am Schnittpunkt Dippoldiswalder Platz 1965- 66 zwei Hochhäuser auf der anderen Seite des Platzes- Richtung Wilsdruffer- / Seevorstadt. Allerdings geschah dies unter ganz anderen Parametern. Durch das neue Konzept einer verkehrsgerechten Stadt für den wachsenden Autoverkehr entstand hier eine große Kreuzung von Dr. Külz-Ring, Reitbahnstraße und einer breiten Ausfallstraße nach Westen Richtung Plauen: die Budapester Straße.
Am Beginn dieses neuen vierspurigen Hauptverkehrsweges wurden zwei Hochhausscheiben gesetzt, eine quer der Fahrbahn, eine entlang der neuen Vorzeigetrasse mit aufwändiger Überquerung der Bahngleise. Es ergibt sich vage ein den Dippoldiswaler "Platz" bildendes L.
Erkennbar ist die Beibehaltung des Grundsatzes, in der inneren Altstadt keine Hochhäuser zu errichten, dafür jedoch an Knotenpunkten des Altstädter Rings.

11-stöckiges Hochhaus am Dippoldiswalder Platz / Ring
Ehemaliges Datenverarbeitungszentrum Dresden am Dippoldiswalder Platz 1966 von Gerhard Müller und Hans Georg Bedrich, (Städtebau Hans Konrad). Das Hochhaus bildet mit der 8-geschossigen Wohnzeile die äußere Ringbebauung. (Montagebauweise mit vorgehängter Aluminiumfassade). Hier im Bild nach der Sanierung mit einer Dämmfassade. Foto: Thomas Kantschew 2023, Vergrößerung