Umbau Hauptbahnhof
Glaskuppel und Membrandach - Moderne Eleganz mit Belle Epoque-Relikten

 

Architekt: Sir Norman Foster (Großbritannien)
________ (Foster & Partners, architects and designers)
________ (Schmidt Stumpf Frühauf und Partner)
Bauherr:   DB Station & Service AG, vertreten durch DB
________ Projektbau GmbH NL Südost, Projektzentrum
________ Dresden
Bauzeit: _(Wettbewerb: 1997) 2001- 2007
Adresse:
. Wiener Platz

Webseite des Architekturbüros zum Dresdner Hauptbahnhof: www.fosterandpartners.com

Der Dresdner Hauptbahnhof wurde als einer der letzten großen Deutschen Bahnhöfe von der "Deutschen Bahn AG" saniert. Er bekam anstatt eines Glasdaches ein neues Membrandach, einem Material aus äußerst reißfesten Gewebe (Teflon-Dach aus Glasfaser). Die Farbe des transluzente Materials ist Weiß. Es lässt je nach Sonnenintensität verschiedene Farbtöne des Tageslichtes durchscheinen oder reflektiert es auf der Außenseite. Direkt über den eisernen Hallenbögen spaltet sich das zeltartige Dach zu schmalen Schlitzen, die den direkten Blick zum Himmel freigeben. Die selbstreinigende Teflon-Membran stammt von der Firma "Sky-span" in Rirnsting am Chiemsee. Sie ist nicht einmal einen Millimeter dick, jedoch aufgrund ihrer Eigenschaften extrem wetterfest. Die Belastung hält bis zu 90 Tonnen pro laufendem Meter aus.
Über die originale Eisenstahlbögen musste ein sekundäres Tragwerk eingebaut werden, um die ungeheuren Zugkräfte, die durch die starke Spannung der Membran entstehen, in die Fundamente zu leiten. Zum ersten Mal konnte ein historisches Bauwerk mit diesem neuen Material in Verbindung gebracht werden.
Das neue Dach ist schmutzresistent, lässt wieder Licht durch das Gebäude fließen und bringt das historische Tragwerk zur Wirkung.

Der Umbau von Foster erhielt 2007 vom Royal Institute of British Architects (RIBA) den Stirling Prize (shortlisted, Zweitplatzierter) für herausragende Architektur.




Die Weiterführung der lichtdurchlässigen Dachkonstruktion
(im Bild ganz oben rechts) auf die z.T. offenen Bahnsteige
und deren halbkreisartige Zusammenführung wurde - wohl
aus Kostengründen vom Bauherrn, ähnlich wie beim neuen Hauptbahnhof in Berlin, gestrichen.


Ebenfalls gründlich saniert wurde die imposante Eisenkonstruktion der drei großen Hallenbögen, zur Entstehungszeit um 1892 das Modernste an europäischer Ingenieurleistung im wilhelminischen Deutschland und die große Eingangshalle mit Kuppel.
Eine der schwierigsten ingenieurtechnischen Herausforderungen bestand darin, die Lasten des 30.000 qm großen Membrandachs in das historische Tragwerk und die Fundamente abzuleiten.

Der ehemalige separate Eingang für die sächsische Königs- familie (später Kino) soll später als neuer Eingang für die Reisenden des Zentralen Omnibus Bahnhof, der am westlichen Ende des Wiener Platzes entstehen soll, ausgebaut werden. In finanzieller Abwägung war eine neue Überbrückung der Mittelhalle und damit ein westlicher Zugang zu allen Bahnsteigen, wurde aber dann nicht durchgeführt.


Der Hauptbahnhof

Anstelle des Böhmischen Bahnhofs 1892-97 von Ernst Giese, Paul Weidner und Arwed Rosbach erbaut. Die dreischiffige Stahlbogenhalle besitzt 18 Bahnsteige, im Mittelschiff (Spannweite 50 m) ebenerdig als Kopfbahnhof, in den Seitenschiffen (Spannweiten 30 m) als Hochbahnsteige für den Durchgangsverkehr.


Railway Station Redevelopment

"Dresden's main railway terminus, built between 1892 and 1898 to a design by Ernst Giese and Paul Weidner, is the third largest in eastern Germany after Berlin and Leipzig. It is also one of the most impressive late-nineteenth-century railway stations in Europe. Linking Dresden with Berlin and Prague, the railway played a significant role in the city's industrial and economic growth in the first half of the twentieth century. During World War II the station was badly damaged in Allied bombing raids, which destroyed 80 per cent of the city. In the post-war period it was poorly maintained and finally reached a state where remedial conservation was required.

The practice has devised a masterplan for the renovation and expansion of the station, as part of a wider project to revive the surrounding area. The scheme removes various additions and alterations made to the building over the last hundred years in order to restore the integrity of the original design. Circulation within and through the station is improved by creating additional openings in the walls leading to the outer platforms.

The barrel-vaulted roofs over the outer platforms are extended by 200 metres to provide cover for new high-speed trains which are almost twice the length of the station. The central tracks are taken back in order to create a large open space at the heart of the building, which can be used as a market place or for cultural events.

Currently only the most urgent element of the masterplan is to be carried out - the reconstruction of the 30,000-square-metre roof. Much of the steelwork is so degraded that it is unsafe. The entire structure will be restored to its original condition and covered with a translucent skin of Teflon-coated glass fibre. Originally the roof was partially glazed, but since the war it has been covered with timber, admitting no daylight. The new roof will transmit 13 per cent of daylight and significantly reduce the station's reliance on artificial lighting. At night, light will reflect off the underside of the roof, creating an even wash of illumination inside and announcing the station from without by a silvery glow."
(Textquelle: Webseite des Architekten)


Die Sächsische Zeitung fragte Sir Foster:

"Welche Bedeutung ordnen Sie dem Hauptbahnhof zu?
Es ist das Tor zu "Elbflorenz". Immer wenn ich dort bin, stelle ich beeindruckt fest, welches außerordentliche Potenzial dieser Platz in sich birgt. Wie ein "Dynamo" der Stadt bewegt er sehr viele Menschen für Berufsverkehr und ihre Freizeit. Auch das Kommen und Gehen der vielen Fremden, ob Geschäftsmann oder Touristen, aus aller Welt ist an diesem besonderen Ort Dresdens konzentriert. Selbst die sonst anfliegenden Japaner reisen nach Dresden mit der Bahn. Und das wird noch viel mehr werden. Auf welche Weise sich ein Bahnhof als Tor für seine Stadt "engagiert", ist eine für ihre Zukunftsexistenz sehr wichtige Frage. Auch daran misst sich die Qualität der Stadt und des Lebens in ihr."

Das britische Architekturbüro hat neben dem Berliner Reichstag auch in London Erfahrungen mit Um- und Weiterbauten historischer Bausubstanz, z.B. 2001 mit dem British Museum Great Court.



Offene Kuppel - Mehr Licht

Die neue Fosterkuppel lehnt sich stark an die ehemalige Gründerzeitform an, ohne sie komplett zu kopieren. Jene ehemals offene Glaskuppel ließ ab 1892 Tageslicht in die Halle scheinen. In der Nachkriegszeit war die beschädigte Kuppel vereinfacht repariert und mit einem spitz zulaufenden, schiefergedeckten Dach gedeckt worden, das die Kuppel völlig verschloss. Der Hauptteil der alte Eisen-Konstruktion der alten Belle Epoque Kronen-Form wurde dabei wiederverwendet. Aber man zog eine Zwischendecke ein, die die einstige prachtvolle Wirkung dieser Kathedrale des modernen Verkehrs stark beeinträchtigt hatte. Seit 2006 ist die Eingangshalle wieder hell durchlichtet und strahlt - auch ohne die alten Zwickelbemalungen - Opulenz aus. Allerdings wurde der Kuppelanlauf der inneren Kuppel verkürzt, was die Wirkung etwas schmälert und die Konzentration mehr auf das Konstruktive als auf das Dekorative lenkt.

Lichtdurchflutet sind auch die hohen, gewölbten Hallen rechts und links der Kuppelhalle
, desgleichen die beiden ehemaligen Speisesäle, welche jetzt ebenfalls direktes Tageslicht erhielten. Vergrößerung der nebenstehenden Bauzeichnung (Bauschild) von Büro Foster 2005

Die beiden Ecktürme der Hauptfassade, in den 1970er Jahren ihres gründerzeitlichen Turmaufsatzes, der Fenster und eines umlaufenden Balkons beraubt, werden denkmalpflegerisch erneut hinzugefügt.


Foto:
Foster and Partnerr - Sandsteingruppe der Saxonia und neue (alte) Glaskuppel


Sophisticated mind

Der neue Bahnhof von Foster respektiert die klassische Stahlbogenkonstruktion der drei Hallen. Das ist innerhalb der Moderne keineswegs eine Selbstverständlichkeit.
In Dresden hätte während eines radikalisierten Modernisierungsschubes nach 1969 der Hauptbahnhof komprosmisslos seine Gestalt verloren - siehe Foto der Planungen aus dem Jahr 1969.
Am westlichen Ende war bereits damals ein neuer Busbahnhof konzipiert, der in einer funktionalen Verschränkung mit dem Bahnhof, die eindrucksvollen Hallenbögen aus Stahl und Glas vollständig beseitigt hätte.
Dank einer verantwortungsvollen starken Bürgerschaft, die in den 80er und 90er Jahren verstärkt auf die zu schützenden Errungenschaften der historischen Stadt aufmerksam machte, kann nun im neuen Jahrhundert ein aufgeklärtes und liberal- gemäßigtes Bewusstsein in einer ausgeglichenen Balance zwischen Fortschritt und Tradition erwachsen. So ähnlich betonte es der Architekt Fosters selbst, als er die größte Schwierigkeit bei der Konzeption für die Renovierung nannte, "das Beste aus der Vergangenheit in die Zukunft zu transponieren".


DDR-Planungen mit autobahnähnlichen Verkehrschneisen samt
einem großen Tunnel vor dem Wiener Platz. (Foto 1969: Stadtmodell)

 


Eisenbogen-Konstruktion und Netzbahnen vom Teflondach, April 2005 (Foto: TK)


Saxonia-Statue und Abnahme der alten Holz-Schieferteile an der Kuppel über dem Empfangsgebäude, April 2005 (Foto: TK)


Werben für Optimismus
Dem Architekten Lord Norman Foster zum siebzigsten Geburtstag - von Nikolaus Bernau

"Woher kommt die Begeisterung, die dem Symbolarchitekten für die soziale Aufbruchsstimmung in der Thatcher-Ära und dem Antipoden der konservativen Architekturideale von Kronprinz Charles entgegenschlägt?
Es muss am ungebrochene Optimismus liegen, den alle seine Projekte verströmen. In Deutschland etwa liebt man es, kulturpessimistisch das Ende der Aufklärung, die Verdummung der Volksmassen, den Untergang der Industrie und des Wohlstandes so lange zu beschwören, bis die Vorhersage sich auch erfüllt. Foster hingegen, und darin vor allem gleicht er Richard Rogers oder Renzo Piano, vertraut der Zukunft. Mag die Welt auch dreckig und überbevölkert und die Energiefrage ungelöst sein: Wir können sie dennoch mit Technik, Naturwissenschaft, Industrie, Kreativität sowie vor allem durch Wagemut und Neugier retten und uns gleich mit." Berliner Zeitung vom 01.06.2005

Zur Eröffnung des sanierten Hauptbahnhofes am 10.11.2006

"Das Gebäude ist nicht so wichtig wie sein Inhalt", rückte Foster bei der Eröffnungsrede seinen Anteil an der gelungenen Sanierungsarbeit in den Hintergrund und sprach von der "Poesie des Gebäudes", dem Licht und Leichtigkeit zurückzugeben sein Auftrag war. (DNN)

Lehrstück der Denkmalpflege - Der britische Architekt Norman Foster hat den Dresdner Hauptbahnhof wachgeküsst. Neues Licht am Ende der Tunnel, von Falk Jäger, Stuttgarter Nachrichten vom 15.12.2006 (Link deaktiviert)



Sanierung ab 2022 - Austausch der Dachmembran
Die deutsche Bahn informiert:
"Der Dresdener Hauptbahnhof ist ein zentraler Knotenpunkt in der sächsischen Landeshauptstadt. Das 2006 in Deutschland erstmals eingesetzte Membranmaterial als Dachhaut bringt viel Licht und eine optische Leichtigkeit in das historische Gebäude. Nunmehr weist das Material zunehmend Schäden auf. Daher ist geplant, das Dach komplett zu erneuern.
Dabei werden auch schadhafte Teile der Dachkonstruktion ausgewechselt, um die Nutzungsdauer erheblich zu verlängern. Baubeginn wird 2022 sein.
"
Gesamter Text, Fotos und Visualisierungen



Blick auf die neu-alte Kuppel und die "Prager Spitze" -
Foto: TK - Nov. 06, Vergrößerung

Literatur:
Peter Reichler: Dresden Hauptbahnhof. 150 Jahre Bahnhof in der Altstadt, Egslham 1998

 


Zeichnung: Foster und PartnersUmbau Hauptbahnhof Dresden von Sir Norman Forster 2004Neues Teflon-Dach (Fotos: T.Kantschew 2004) Hauptbahnhof im Bau - hier Mittelschiff 1897
Hauptbahnhof um 1900Hauptbahnhof im Bau- hier schmucklose Ostseite  1897
Hauptbahnhof 1897Gewerbeflächen im Rohbau unter den  Nordgleisen (Oktober 2004)
Komplett neue Erdgeschosszone aus Beton unter der Nordhalle am Wiener Platz - hier waren Büros oder eine Shopping- Mall vorgesehen. Zur Eröffnung des Bahnhofes im Nov. 06 war dieser Gebäudeteil noch Rohbau. (Aufn. 04 - Foto: TK)


Historische Aufnahme der Kuppel (vor 1945)

Hauptbahnhof: Blick auf die offen-gläserne Kuppel, 1898.


Neue Glaskuppel Plan 2005

Kuppel Hauptbahnhof - Dezember 2004
Kuppel - Zustand 12/2004
- (Foto: TK)

Durchgangshalle zu den Bahnsteigen nach dem Umbau (Juli 06) - Foto: S. Baumgärtel

In der Nachkriegsfassung wurden in der Durchgangshalle neue Fenster eingesetzt, die die Rundbögen negierten. Stattdessen gab es Heimatmalerei mit sächsischen Städten. Foto: SLUB 1952


Blick in die neue (alte) Glaskuppel (Juli 06) - Foto: www.aphforum.de - Vergrößerung - Leider ist inzwischen eine durchsichtige Schutzdecke (vor Tauben) eingezogen worden.


Die üppige Dekoration mit Wandgemälden ist nach 1945 nicht mehr erneuert worden. Hier eine Darstellung von 1898. Zudem war die innere Kuppel höher gemauert als heute, was einen noch erhabeneren Eindruck bei den Reichsbahnreisenden erweckte. Foster fand wohl die Wiederherstellung dieser Inszenierung entbehrlich.



Le Marche- Restaurant mit viel Tageslicht und wieder freigelegtem Ziegelmauerwerk
Foto der letzten drei: Foster and Partners

Ziegelmauerwerk - ohne Putz und türkismetallicfarbene Stahlteile im Reisezentrum (Foto: TK) - Vergrößerung
Einige Fensterbögen der Nordhalle wurden bereits freigelegt, ohne die Kriegsspuren zu kaschieren. Die anderen Fensterbögen sind noch mit Sandsteinplatten aus den 1970ern verkleidet.
(Foto: TK)
Balustrade vor der First-Class-Lounge -
(Foto: TK)




neue Dachmembran, Visualisierung (Ausschnitt): Isometrie des Membrandachs (Juni 2021) [Quelle: IF-Ingenieure für Flächentragwerke GmbH]

 



zum Vergleich: Entwurf für den Dresdner Hauptbahnhof von Otto Schmalz 1892,
Ansicht zur Prager Straße

 

Text: Thomas Kantschew 2004 / 2022