Gewerkschaftshaus am Schützenplatz
Potentiell in die Höhe strebend
Architekt:   Carl Fritz Richter
Bauzeit:   1929 - 30
Adresse:   Schützenplatz 14

Mit dem 7- geschossigen Gewerkschaftsgebäude in Stahlbetonkonstruktion erweiterte der Dresdner Architekt C.F. Richter sein 1915/ 16 errichtetes Volkshaus nach Osten. Dieser blockartige voluminöse Anbau mit einer turmartigen Erhöhung im nüchternen Stil der Neuen Sachlichkeit war ursprünglich als Bürohaus mit integriertem Hotelbetrieb im 5. OG konzipiert. Der Vortrags- und Festsaal im obersten 6. Obergeschoss ist heute noch immer erhalten, allerdings in einer veränderten Nachkriegsfassung.
Die zurückhaltende Fassadengestaltung in Sandstein knüpft an die ebenfalls ruhige Ästhetik des Vorgängerbaus an, hat aber nun ein Flachdach und verzichtet weitestgehend auf Anklänge an historische Architekturelemente. Der Eklektizis-mus des 19. Jahrhunderts sollte vermieden werden.
Dennoch finden sich sparsame Simse und klassische Quaderaufteilungen über den Halbbogeneingängen. Im Vordergrund stand jedoch, wie immer wieder betont wurde, ein sachlicher Zweckbau mit einer "klaren übersichtlichen und weiträumigen Grundrissanordnung." (Rede Richters zur Eröffnung am 20.09.1930)
Dort ebenfalls: ("...Den beiden letzten Geschossen ist nach Norden zu je eine große offene Terrasse vorgelagert, die als Dachgarten benutzt wird. Den 33 m hohen Hauptbau überdeckt eine Plattform mit weitem Ausblick über Dresden. ... In seiner äußeren Gestaltung kennzeichnet das monumental durchgebildete Bauwerk die Größe, Macht und Geschlossenheit der freien Gewerkschaften.")


Sofort mit Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 wurde das Haus der Arbeiterschaft enteignet und der Schützenplatz in "Platz der SA" umbenannt.



Über der Dresdner Traufhöhe
Tendenziell strebt das Gewerkschaftshaus als Hochhaus mit seinen 33 Meter deutlich über die Dresdner Traufhöhe. Die sehr hochstehenden Fenster des Festsaals im 6. Stock unterstreichen den vertikalen Zug. Dennoch gab es eine Höhenbegrenzung des Gebäudes zum Schutz der historischen Stadtsilhouette. Die Monumentalität und Höhe des kompakten steinernen Baus l
egt Zeugnis ab von der großen Bedeutung der Gewerkschaften Ende der zwanziger Jahre, die in ihren Bauten Modernität und Selbstbewusstsein demonstrieren wollten.

Peter Behrens im Werkbund-Jahrbuch 1914:
"Auch eine Stadtanlage verlangt nach Körperlichkeit und Silhouette, die nur in der Zufügung von kompakten und vertikalen Massen gefunden werden kann."

Hochhausstreit in Dresden
In den zwanziger Jahren brodelte auch in Dresden eine heftige Debatte über den Bau von Hoch- oder Turmhäusern. Die Tageszeitung "Dresdner Anzeiger" regte bereits 1921 Untersuchungen für ein Hochhaus auf dem Koch-Hesseschen Grundstück (heute Dipoldiswalder Platz) an. Stadtbaurat Poelzig wollte eben auf diesem Grundstück sein gewaltig aufgetürmtes Stadthaus errichten. Das Projekt kam u.a. wegen der Inflation nicht zustande. 1925 rief der neue Stadtbaurat Paul Wolf zu einem Ideenwettbewerb für ein Verlagsgebäude am Ring auf, der z.T. viel Kritik erntete, hegte man doch in Dresden ausgeprägte Ängste vor einer grassierenden "Hochhausmode". 1930 wurde dann allerdings am Albertplatz tatsächlich das erste wirkliche Hochhaus Dresdens errichtet.

 


Gewerkschaftshaus 1915-16 (links) und 1929-30 (rechts) - Übergang vom Historismus in die Moderne des frühen 20. Jahrhunderts unter Weglassung von angedeuteten Spiegelfeldern, Fensterverdachungen und Simsen.


Festsaal mit 11 sehr schmalen hohen Fenstern - durch horizontale Linien als Einheit zusammengehalten.


Gewerkschaftshaus von 1915 (links) und 1930 (rechts). Bereits 1930 leuchtete nachts der krönende Schriftzug "Dresdner Volkshaus" in blauem Neon-Licht. (Foto: Dez. 2003)

Volkshaus 1930Gewerkschaftshaus 2007 Originalkeramik-Wandfliesen im Treppenhaus
Originalkeramik-Wandfliesen im Treppenhaus (5. OG) im kräftigen Orange


Im Vordergrund stand auch eine "gediegene handwerkliche Arbeit" - hier feine Sansteinarbeiten über dem Halbbogen.


Gewerkschaftshaus Rückseite mit dem gläsernen Treppenhaus und den Dachterrassen, Foto: Mai 2014


Café auf der Dachterrasse, Mai 2014


Treppenhaus im Gewerkschaftsgebäude
Eingangsbereich: nicht nur rechte Winkel - im Hintergrund Treppenhaus, das um den Fahrstuhl empor führt.

Literatur:

Peter Russig "Das Dresdner Volkshaus der Gewerkschaft 1902 - 1999", Dresden 1999

 

Geländer im Treppenhaus
Geschwungene Treppen- und Handläufe
Verkauf des Gewerkschaftshauses 2006
Dezember 2006: Die Gewerkschaftshäuser in Dresden, Leipzig, Dresden, Zwickau, Bautzen, Chemnitz, Magdeburg, Jena und Suhl sind an die private Investmentgesellschaft Cerberus verkauft, nach eigenen Angaben eine der weltweit größten Fondsmanagementgruppen.
Das Gewerkschaftshaus in Dresden war vor dem Zweiten Weltkrieg auch mit Hilfe von Spenden der Arbeiter errichtet worden.

Gewerkschaft kauft Volkshaus zurück.
SZ vom 19.06.2012: Die Immobiliengesellschaft der IG Metall, die Igemet GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main, hat das Bürogebäude mit rund 7200 Quadratmetern Mietfläche gekauft.