Fritz Förster Bau der TU Dresden
Neoklassizistischer Ziegelbau

 

Architekt: Martin Dülfer
Bauzeit: 1917 (Entwurf)___ 1922 - 26
Adresse: Mommsenstraße 6
Nutzung: ursprünglich Hauptgebäude der chemischen Institute
Umbau:   zur TU-Verwaltung 2014-23 von
Code Unique Architekten GmbH
Gesamtfertigstellung mit Außenanlagen: 2023
Rehwaldt Landschaftsarchitekten (Dresden)


Monumentalität und Details

Der Hauptbau der u-förmigen Anlage erinnert in seiner Ausprägung an das Hellerauer Festspielhaus von Heinrich Tessenow (1911): ein gleichschenkliger hoher Dreiecksgiebel, neoklassizistische vertikale Gliederung und niedrigere Seitenflügel. Der Haupteingang zeigt allerdings zur Straße und nicht in den Hof. (1)
Die schmucklose Strenge des berühmten auratischen Festspielhauses mit seinem spröden, unterkühlten Stil wurde jedoch bei diesem Institutsgebäude vermieden.
Neben dem klaren Grundaufbau fällt der dezent eingesetzte Detailreichtum auf: feine Profilierungen, der warme Grundton des würdig gealterten rotbrauen Ziegelmaterials und deren schmückende Verwendung in den Fensterbrüstungen.

Das Gebäudeensemble mit monumentaler Raumwirkung ist eine interessante Mischung von Reformbaustil, urbaner Großstadtarchitektur und der beginnenden Moderne mit ihrer sachlichen Grundhaltung, die dennoch künstlerisch-handwerkliche Elemente sparsam einbezog. Damit ist das Haus ein gutes Beispiel des Übergangs innerhalb der Vielfalt in der europäischen 1920er-Jahre Architektur.


Nicht nur Sandstein hat in Dresden Tradition

Dieses Baumaterial Klinker ist nur scheinbar untypisch für Dresden. Gerade in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wird viel mit diesem Material experimentiert, der bloße Stein im Sinne der Materialgerechtigkeit ohne Verputzung eingesetzt. Unter der vorgeblendeten Fassade verbirgt sich Stahlbeton, als die eigentliche statische Konstruktion.


Fantasievolle abstrakt-geometrische Glasfenster

Im Detail besticht der klare, reformorientierte Bau durch schöne Ornamente, die nichts Schwülstiges oder Geschmackloses haben und sich organisch aus dem Bau ableiteten. Die exquisiten farbigen Bleiglasfenster z.B. scheinen von den geometrischen Glasgestaltungen der Prärie-Häuser des US-amerikanischen Architekten Frank Lloyd Wright inspiriert, der seit 1910 zu einem wichtigen Impulsgeber der europäischen Architektur wurde. (Wrights gestaltete die Fenster selbst: u.a. im Robie House - Chicago: https://flwright.org.)

Die vertikalen, leicht expressionistischen Bleiglasgestaltungen in sehr hoher künstlerisch-handwerklicher Qualität geben einen Eindruck wieder, wie Dülfer seine Ideale eines Gesamtkunstwerkes vor dem I. Weltkrieg aus der Dresdner Künstlervereinigung "Zunft" weiter in die Zukunft retten wollte. Kristalline geometrische Formen spiegeln en miniature die Kraft der Symmetrie wieder, die das gesamte Gebäude in seinem Aufbau hat. Verwendete Farben der einzelnen Glasteile von Dunkelblau, Gelb, Hellblau und Weiß harmonieren elegant mit dem Ziegelrotbraun der Fassade.
Der Künstler oder die Künstlerin könnten aus dem Umfeld der Staatlichen Akademie für Kunstgewerbe in Dresden stammen, dessen Glaswerkstatt ab 1924 Walter Nitschke leitete. Siehe: designcampus.org
Es ist hoch anzuerkennen, dass bei der Sanierung des Gebäude die SIB erhebliche Mittel aufwandte, um diese Glasfenster auszubauen und in die neuen Kastenfenster zu integrieren. Bereits zu DDR-Zeiten bekam das Gebäude einen Denkmalschutzstatus "von überregionaler Bedeutung".


Beschreibung

"Die Hochschulbauten stellen das Hauptwerk Dülfers in Dresden dar. Der Bau zeichnet sich durch seine einfache Gliederung aus. Von der G.-Bährstraße führt eine Achse durch das terrassierte Gelände auf das Hauptgebäude zu. Diese wird von zwei mit hohen Satteldächern ausgestatteten Flügeln, dem Müller- und König Bau, flankiert und bildet mit diesen eine symmetrische, U-förmige Anlage.
Die Fassade des Mittelbaus wird duch Lisenen gegliedert. Die medaillonartig ausgebildeten achteckigen Fenster des obersten Geschosses und die ornamentalen Verzierungen der Brüstungen erinnern an Formen des Jugendstils.
Den Kern des Gebäudes stellt der große Hörsaal dar."
(Architekturführer Dresden, 1997)


Umbau des Fritz-Foerster Baus

Thomas Will (Hg.): Der Fritz-Foerster-Bau als zukünftiges Domizil der Architekturfakultät der TU Dresden, Dresden 2004,
darin: Nils Meyer, Andreas Schwarting, Thomas Will:
Der Fritz-Foerster-Bau als Kulturdenkmal. Grundlagen für einen angemessenen Umgang, S. 33-50 (im folgenden ein Auszug)

Historische Bedeutung

"Errichtet als ein wichtiges Glied in der Kette der von Dresdner Professoren geplanten Hochschulbauten, belegt der Fritz-Foerster-Bau beispielhaft die städtebauliche und architektonische Entwicklung der TH in den 20er Jahren. Die Campus-Planung Dülfers von 1906-1910 erfuhr nach dem 1. Weltkrieg mit dem Gebäude der Chemnischen Institute eine sehr reduzierte, sparsame Umsetzung, die insbesondere an der heute noch ablesbaren städtebaulichen Achse von der George-Bähr-Straße zum Haupteingang des Gebäudes erkennbar ist. Stilistisch und bautypologisch ist der Foersterbau ein Dokument der Auseinandersetzungen in der Hochschularchitektur der Weimarer Republik. Der Foerstebau steht hier als ein Beispiel einer zwischen Reform und Bautradition, zwischen Sachlichkeit und monumenalem künstlerischem Ausdruck vermittelnden Backsteinarchitektur, wie wir sie im niederländischen und deutschen Expressionismus, etwa bei Fritz Höger, finden, und wie Dülfer selbst sie bereits bei seinem Stadttheater in Lübeck (1906 - 08) erprobt hatte. Bei den Chemischen Instituten ist aber vor allem - in finanziell bedingter einfacher Form - die Bauweise der auf dem neuen Universitätsgelände bereits von Weißbach errichteten Hochschulgebäude, die sämtlich in Klinkern verkleidet waren.

Künstlerische Bedeutung und künstlerischer Wert

Der Foersterbau ist eine wichtige Station im facettenreichen Werk von Martin Dülfer. Die Verbindung von späten Jugendstil- Anklängen, historischen Reduktionsstil bzw. einem idealisierten "Heimatstil" verleiht dem Foersterbau sein besonderes Gepräge. Die hochwertige Bauausführung reicht von erfindungsreichen Einsatz neuer Baustoffe, wie Stahlbeton in Kombination mit Naturstein und Ziegeln, bis hin zu handwerklicher Perfektion der Details, die zum künstlerischen Wert des Gebäudes entscheidend beitragen. Das Ensemble aus Fritz-Foerster-Bau, Königs-Bau und Ericht-Müller-Bau hat bis heute stadtbild- und campusprägende Wirkung, nicht zuletzt durch die differenzierte Gestaltung der Außenanlagen (Treppen- und Brückenanlagen, Pflasterungen, Masten, Bepflanzung)."
Der gesamte Text (pdf)

 


Klarer symmetrischer Grundaufbau im Grundriss
Fritz-Förster-Bau (1. Etage), Quelle TU Dresden



Hofansicht der 1926 fertig gestellten Chemischen Institute - mit zwei hohen Lichtkandelabern.

Der Architekt Martin Dülfer
(geb: 1859 in Breslau; gest.1942 in Dresden)

lebte von 1906 bis 1942 in Dresden

Ab 1906 Professor für das Entwerfen von Hochbauten an der Technische Hochschule Dresden.
Ab 1912 „Vorsteher“ (Dekan) der Hochbauabteilung
1920 bis 1921 Rektor und danach zwei Jahre lang Prorektor der Hochschule.
Dülfer war Mitglied in mehreren Berufsverbänden und Künstlervereinigungen, so z.B. von 1908 bis 1912 Vorsitzender des Bundes Deutscher Architekten (BDA) in Hannover.
In Dresden schloss er sich der Künstlervereinigung Die Zunft an, die erst von Stadtbaurat Hans Erlwein, später vom Bildhauer Georg Wrba geleitet wurde. Diese orientierte sich auf die Bündelung aller reformorientierten Kräfte in Dresden auf dem Gebieten der Architektur, Bildhauerei, des Kunstgewerbes und der Malerei im Sinne von "Angewandter Kunst". Die Zunft existierte von 1905- 1918.
Auf dem TH Gelände in Dresden baute er 1910-13 den Beyer-Bau für die Fakultät Bauingenieurwesen, auch ein Bau der Reformarchitektur.


Umbau und Sanierung des Denkmals ab 2010


"Der Fritz-Förster-Bau zeichnet sich durch seine einfache Gliederung aus. Er bildet eine U-förmige Anlage, deren Kernstück das Hörsaalgebäude bildet. Die Fassade des Mittelbaus wird durch Lisenen gegliedert und durch hohe Dreiecksgiebel zum Hof und zur Straße betont, die zwei Flügel sind mit hohen Satteldächern ausgestattet. Die verwendeten Baumaterialien und Baukonstruktionen entsprechen dem von 1926 aktuellen Stand der Technik. Große Tragreserven gerade bei den Holz- und Stahlbetonkonstruktionen sind nicht zu erwarten. Alle Wände sowie viele Pfeiler und Stützen wurden in Ziegelmauerwerk ausgeführt, dünnere Stützen bestehen aus Stahlbeton. Die Geschossdecken sind alle in Stahlbeton ausgeführt. Das Satteldach ist ein Pfettentragwerk mit Schieferdeckung auf Holschalung. Aufgrund seiner architekturhistorischen und künstlerischen Bedeutung ist der Fritz-Förster-Bau als Kulturdenkmal in die Denkmalliste des Freistaates Sachsen eingetragen." (www.competitionline.com)


Neue Nutzung: TU-Verwaltung

Zwischen 2007 und 2011 ist das Gebäude bereits für die Achitekturfakultät umgebaut worden. Nachdem aber 2012 die TU Dresden Exzellenz-Universität geworden war, beanspruchte die Verwaltung das repräsentative Haus.

Seit 2015 fand eine komplette Sanierung mit Umbau statt.
Da die langjährige Nutzung als Laborgebäude giftige Spuren (u.a. Quecksilber) hinterließ, war eine Schadstoffsanierung unvermeidlich.
Schmerzhaft ist u.a. der große Umbau des bis 2015 im Original vorhandenen historischen Hörsaals samt seines hölzernen Gestühls und fast aller Details. Während des Rohbaus wurde er bis auf den Beton rückgebaut und erhielt ein modern dunkelgraues Gepräge. Die hisorische Kasettendecke wurde denkmalgerecht saniert. Platz finden jetzt in dem umgebauten Hörsaal 150 Studenten im Vergleich zu 500 Hörern vor dem Umbau. Andere Räume waren mit  Neustrukturierung der Grundrisse verbunden.
Im jetzigen TU-Verwaltungszentrum ist u.a. das Immatrikulationsamt, ein ServiceCenter Studium sowie die Leitzentrale der TU Dresden untergebracht. Insgesamt kostete die Sanierung 56,5 Millionen Euro, die in der Hand der SIB lagen. Das Land Sachsen, der Bund sowie die Europäischen Union teilten sich die Finanzierung.

 

Fritz-Förster Bau der TU Dresden , Aufnahme 1995 - Thomas Kantschew
Foto 1995 (TK)Fassadendetail am Fritz-Förster Bau, 1995Ornament im bleiglasverzierten FensterChemisches Institut nach Fertigstellung 1926
Institut 1926 nach der Fertigstellung
Untere Eingangshalle
Untere EingangshalleGroßer Hörsaal
Der große Hörsaal - 2007 immer noch im kompletten Original mit dem alten Holzmobiliar erhalten.

Leider verlor der historische Hörsaal komplett sein Gepräge. Visualisierung 2017 nach Umbau: SIB
Fenster - Ornamente
Klinkersteine mit besonderer reliefartiger Gestaltung Originale Bleiglasfenster im Fritz-Förster-Bau von 1926, Fotografie: 2007
700 Holzfenster mit z.T. farbigen Bleiverglasungen in 70 verschiedenen Ausführungen wurden erneuert. Hier noch der alte Zustand 2007, Vergrößerung
Der Künstler oder die Künstlerin dieser außergewöhnlich wertvollen Glasmosaik-Arbeiten konnten leider noch nicht ermittelt werden.



Künstlerisch gestaltetes Holzgitter - trennend und transparent zugleich, Aufnahme: April 2007, Vergleich nach der Sanierung bzw. dem Neubau der Holzgitter, beide Fotos: 2024 Thomas Kantschew


Lageplan des Gebäudes 1926 innerhalb des Geländes der Techn. Hochschule Dresden, Plan gesamt, gezeichnet von Dr. Martin Dülfer selbst

 


Neuer Hörsaal mit alter Kasettendecke, Foto 2024 Thomas Kantschew, Vergrößerung


Infos zum Umbau durch Code Unique:
www.baunetz.de  (22.08.2023)


Umbau wird mit dem Deutsche Hochschulbaupreis 2024 ausgezeichnet

Der von der Deutschen Universitätsstiftung ausgelobte Deutsche Hochschulbaupreis geht 2024 nach Dresden. Ausgezeichnet wird der Umbau des Fritz-Foerster-Baus der TU Dresden, der in den Händen des Büros Code Unique Architekten aus Dresden lag. Bauherr war der Staatsbetrieb Sächsisches Bau- und Immobilienmanagement.
Bauen im Bestand ist das Thema der Zukunft: Infos auf:
www.bbr.bund.de  und www.ingenieur.de


Literatur:

Heiduschka, Alfred und Schilling, Otto: Die neuen chemischen Institute der Technischen Hochschule in Dresden. Zur Erinnerung an die Einweihung am 12. Juni 1926, darinnen: Martin Dülfers architektonische Schöpfung. Dresden 1926, Gesamter Text in der SLUB

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(1)
Etliche weitere Bauten in Dresden und Umgebung bezogen sich in den 1920er Jahren, aber auch in den späteren Jahrzehnten auf den Typus der Tempelfront des Hellerauer Festspielhauses, so u.a.  die Montagehalle Koch & Sterzel in Dresden Übigau auf der Washingtonstraße 16, errichtet
1924- 28 und nicht zuletzt das Hygienemuseum von Kreis 1928-30.

Montagehalle Koch & Sterzel in Dresden Übigau
Foto: März 2019 T.Kantschew, Vergrößerung, vertikale Fensterbänder pentagonförmige Säulen mit Dreiecksform zur Straße

  Originale Brückentreppe am Fritz-Förster-Bau, die zu separaten Treppenhäusern führt. Foto 2024 Thomas Kantschew, Vergrößerung